Hochzeit in St. George (German Edition)
Brief.
Tim stand wie vereinbart vor der Haustür des herzoglichen Stadtpalais, und genau drei Stunden nachdem er zu Bett geschickt worden war, wurde Kermin geweckt, um die Reise zurück nach Winchester anzutreten.
XV.
Catharine erreichte Wild Rose Manor am übernächsten Nachmittag. Es war ein warmer Spätfrühlingstag, und das Elternhaus ihres Gatten zeigte sich von seiner besten Seite. Die Rosensträucher standen in voller Blüte und verbreiteten einen lieblichen Duft. Da das Haus nach Süden ausgerichtet war, blühten bereits die ersten blauen Trauben der sich emporrankenden Glyzinien, und die Blumen im Beet rund um die Statue des Apoll leuchteten in bunten Farben.
Kermin hatte Catharine auf ihren eigenen Wunsch an der Vordertür aussteigen lassen. Dann hatte, er die Koffer aus dem Wageninneren und vom Dach geholt und sie zu den Stufen getragen, bevor er in Rosies Begleitung den Wagen in die Remise fuhr und die Pferde dem Stallburschen übergab, damit sie nach der langen Reise ihre wohlverdiente Ruhe fanden.
Catharine stand allein vor dem Haus und blickte sich um. Sie hatte sich Wild Rose Manor nicht so gepflegt vorgestellt, so freundlich und einladend.
»Suchen Sie etwas, Madam?« fragte eine Stimme hinter ihr.
Catharine fuhr herum und sah eine kleine, rothaarige Dame auf sich zukommen. Ihrem tiefschwarzen Kleid nach zu schließen, war sie eine nahe Verwandte des verstorbenen Viscount. »Wir sind nicht auf Besuch eingerichtet, wissen Sie. Wir haben einen Trauerfall.« Die Stimme der Rothaarigen klang eindeutig abweisend.
Seltsam, dachte Catharine. Wer die Dame wohl war, und warum sie versuchte, sie von hier zu vertreibend? Nach ihrem Benehmen könnteman sie fast für die Herrin des Hauses halten. Nun gut, sie würde ihr zeigen, wer die wirkliche neue Herrin des Hauses war.
»Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden«, sagte sie, und ihr Tonfall ließ ihre herzogliche Geburt unschwer erkennen. »Ich bin Catharine Willowby, Mr. Richard Willowbys Frau.«
»O mein Gott!« rief die Rothaarige aus. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Madam. Nein, Mylady, da Sie ja jetzt die Frau des neuen Viscount sind. Obwohl, Sie haben es doch sicher schon gehört… Ach, ich bin ganz aus der Fassung. Wir haben den Viscount, den Vater ihres Gatten, Mylady, heute beerdigt, wissen Sie. Mein Name ist Mellvin, Mrs. Mellvin. Ich bin die Haushälterin.«
»Ach, wirklich?« antwortete Catharine erstaunt und warf einen skeptischen Blick auf das vornehme Kleid ihres Gegenübers. »Dann würden Sie bitte dafür sorgen, daß ein Zimmer für mich und meine Zofe bereitet wird. Und daß das Gepäck dorthin gebracht wird. Wann wird hier gewöhnlich gegessen, Mrs. Mellvin?«
»Um halb sechs, Mylady.«
»Gut, dann möchte ich mein Dinner um halb sechs. Und kommen Sie bitte nachher zu mir, wir haben so manches zu besprechen, denke ich.«
Mrs. Mellvin knickste beeindruckt und öffnete die Haustür, um Catharine einzulassen. Dann bat sie sie, im Salon Platz zu nehmen, und eilte von dannen, um die Anweisungen auszuführen. Catharine sah sich in dem Zimmer um. Es war gemütlich eingerichtet, zwei mächtige Lehnstühle standen nahe an den Kamin gerückt. Die weinroten Bezüge Ton in Ton mit der Farbe der Vorhänge. Neben einer zierlichen Sitzgarnitur stand auf einem Beistelltisch eine Flasche Whisky und geschliffene Gläser für Gäste bereit. Ein großer Blumenstrauß auf der Kommode leuchtete in den Farben des beginnenden Sommers. Catharine war eben dabei, die seltsamen Bilder in Augenschein zu nehmen, die an den Wänden hingen. Der griechische Gott Zeus war auf dem einen Bild zu sehen, das zweite zeigte Aphrodite, Athene und Hera, die Paris den Apfel anboten, ein drittes Atlas mit der Erdkugel auf den muskulösen Schultern.
Seltsame Gemälde für ein Landhaus, dachte sie, als ein Windhauch anzeigte, daß die Tür einen Spalt breit geöffnet worden sein mußte. Catharine fuhr herum. Zuerst sah sie nur die geöffnete Tür, dann entdeckte sie das Kind, das im Türspalt stand und sie mit großenAugen anstarrte. Es war ein Junge mit dichten blonden Locken, die Hände in den Taschen seiner kurzen Hosen vergraben. Er konnte höchstens vier Jahre alt sein.
»Na, junger Mann, wer bist denn du?« fragte Catharine ihn freundlich.
»Hermes«, antwortete der Junge und kam neugierig näher. Catharine glaubte nicht richtig gehört zu haben. »Wie heißt du?« erkundigte sie sich darum nochmals.
»Ich heiße Hermes«, sagte der Junge. »Und wie
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