Hochzeit in St. George (German Edition)
nein! Und ich sage, ich werde nicht fahren! Ich denke gar nicht daran, nach Winchester zu fahren.« Hetty war eben von ihrem Ausflug zurückgekehrt, als ihr Mrs. Blenchem die unerfreuliche Neuigkeit mitgeteilt hatte. Ihre gute Laune war ungehaltenem Trotz gewichen. Dabei war sie so gut aufgelegt gewesen heute morgen. Das Picknick war ein voller Erfolg, lauter fröhliche junge Mädchen. Vor allem mit Theresa Ashforth hatte sie sich angefreundet. Eine lustige Brünette, die so viele amüsante Geschichten über die Mitglieder der besten Gesellschaft zu erzählen wußte. Sie harte mit Theresa vereinbart, am nächsten Nachmittag auszufahren. Und nun sollte sie diese amüsante Verabredung absagen? Nur weil sich Catharine in den Kopf gesetzt hatte, nach Winchester zu reisen? Was sollte denn schon Großartiges geschehen sein, daß sie London Hals über Kopf verlassen mußte? Noch dazu jetzt, da die Saison zu Ende ging und einige ganz verheißungsvolle Bälle auf dem Programm standen? Hetty seufzte. Ohne Anstandsdame konnte sie die Bälle nicht besuchen. Und Catharine war bereits abgereist. Unerhört, daß sie nicht einmal den einen Tag hatte abwarten können, um Hetty auf der Reise zu begleiten, wenn sie schon nach Winchester mußte! Ob sie Cousine Sophia fragen sollte, ob sie während Catharines Abwesenheit bei ihr wohnen durfte? Dann hätte sie wieder eine Anstandsdame und dem Besuch der Veranstaltungen stünde nichts im Wege. Eine gute Idee. Leider ohne Aussicht auf Verwirklichung. Sophia würde sich nie gegen Catharines Wünsche stellen.
»Ich habe bereits die Taschen gepackt. Wir werden nicht viel mitnehmen, da wir ja mit der Postkutsche reisen«, hörte sie Mrs. Blenchem sagen, die sich nun abwandte, um in das obere Geschoß zu steigen.
»Mit der Postkutsche!« rief Hetty, als könnte sie ihren Ohren nicht trauen. »Nie und nimmer fahre ich mit der Postkutsche. Dieses Gestoße, das Geschiebe, eingepfercht zwischen fremden, übelriechenden Menschen. Zudem sollen die meisten Kutscher betrunken sein, wie man hört. Man wird uns in den Graben fahren, die Kutsche wird umgeworfen werden…«
»Hören Sie doch auf, Miss Hetty!« rief Mrs. Blenchem erschrocken, »denken Sie denn, mir macht es Freude, in einer Postkutsche zu reisen? Es steht uns kein anderes Fahrzeug zur Verfügung, also habe ich mich damit abgefunden.«
»Ja, Sie sind ein Dienstbote. Ihnen macht das Gerüttel nicht soviel aus«, erklärte Hetty patzig. »Ich dagegen bin eine Dame.«
Mrs. Blenchem war ehrlich empört. »Was man nicht glauben kann, wenn man Ihre letzten Worte gehört hat«, sagte sie scharf und würdigte Hetty keines Blickes mehr, als sie die Treppen nach oben stieg.
»Und ich fahre doch nicht!« rief ihr Hetty nach.
Ein deutlich vernehmbares Klopfen an der Tür durchbrach ihr Geschrei. »Wer ist denn das schon wieder?« wollte sie ungehalten wissen. Sie war viel zu aufgewühlt, um die Konventionen zu beachten und darauf zu warten, bis Burley in die Halle kam, um zu öffnen. Sie schob selbst den Riegel zurück und riß die Tür auf. Als sie sah, wem sie da geöffnet hatte, hätte sie sie vor Schreck beinahe wieder ins Schloß geworfen. Doch ein glänzend geputzter Stiefel mit weißen Stulpen, blitzschnell in den Türrahmen gestellt, verhinderte dies.
»Geht es Richard bereits so schlecht, daß er sich keinen Butler mehr leisten kann?« erkundigte sich Lord Bridgegate mit seiner wohlbekannten schleppenden Stimme. »Meine Verehrung, Miss Willowby. Wären Sie so freundlich, mich einzulassen?« Hetty trat errötend beiseite.
Nun kam auch Burley angerannt. »Aber Miss Hetty!« rief er ungläubig aus. »Guten Morgen, Eure Lordschaft. Mr. Willowby ist leider nicht zu Hause.«
»Das ist schade«, stellte der Beau fest. »Ich hätte etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen. Nun, vielleicht kann mir Miss Willowby weiterhelfen?«
»Ich?« fragte Hetty, nicht gerade damenhaft leise.
»Ja, Sie, liebe Miss Willowby. Wollen Sie mich nicht weiterbitten?Wir können natürlich auch in dieser spärlich möblierten Halle plaudern, falls Sie dies vorziehen…«
Hetty beeilte sich, den Besucher in das Empfangszimmer zu führen.
Burley ließ die Tür einen Spalt breit offen. Es gehörte sich nicht, daß sich ein unverheiratetes Mädchen bei geschlossenen Türen allein mit einem Mann in einem Zimmer aufhielt. Er, Burley, kannte sich bei den Regeln des Anstands aus.
»Sie scheinen aufgebracht zu sein«, begann der Beau, nachdem er Platz genommen und seine
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