Hochzeit mit Hindernissen
hatten und sie die voll besetzten Bänke erkennen konnte. Kaum hatte die Hochzeitsgesellschaft die Braut bemerkt, erhoben sich alle und drehten sich zum Eingang um.
Als unvermittelt die Orgel zu spielen begann, umklammerte Heather unwillkürlich Renatos Arm. Noch wenige Sekunden, und er würde sie zum Altar führen, wo der Erzbischof bereits darauf wartete, sie mit Lorenzo Martelli zu vermählen.
Plötzlich sah sie, dass sich Bernardo aus der Menge löste und aufgeregt auf sie zukam. “Wartet noch”, forderte er sie flüsternd auf. “Lorenzo ist verschwunden.”
“Wie bitte?”, fragte Renato fassungslos. “Ihr seid doch in einem Auto hergefahren.”
“Schon, aber nachdem wir angekommen sind, habe ich ihn aus den Augen verloren. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo er abgeblieben sein könnte. Es sei denn …”
“Raus mit der Sprache!” Renato war mehr als ungehalten darüber, dass Bernardo sich jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen ließ.
“Eine Passantin will gesehen haben, dass er in ein Taxi eingestiegen ist. Die Beschreibung könnte stimmen, aber ich bin mir sicher, dass sie sich geirrt hat.”
“Natürlich hat sie sich geirrt”, platzte Renato heraus. “Lorenzo wird jeden Moment hier sein.”
Er schien von seinen Worten zutiefst überzeugt, doch in seiner Stimme hatte eine Unsicherheit gelegen, die Heather nicht entgangen war und sich augenblicklich auf sie selbst übertrug.
Die Sinne drohten ihr zu schwinden, als plötzlich Baptista neben ihr stand. “Was ist passiert? Wo ist Lorenzo?”
Sie ließ den Blick von Renato zu Bernardo und wieder zurückschweifen. “Wo ist euer Bruder?”, forderte sie gebieterisch Auskunft.
Bevor einer der beiden etwas erwidern konnte, kam ein kleiner Junge in die Kirche gelaufen und sah sich um, als suche er etwas Bestimmtes. Als er Heather sah, entspannte sich seine Miene. Er trat zu ihr und überreichte ihr ein Blatt Papier, und noch ehe Heather begriffen hatte, wie ihr geschah, war er schon wieder verschwunden.
Wie in Trance reichte Heather Angie den Brautstrauß, bevor sie den Zettel auseinanderfaltete, auf dem handschriftlich etwas notiert war. Die Zeilen wirkten, als wären sie in großer Eile und Erregung entstanden.
Liebste Heather
,
mein Verhalten ist unverzeihlich, doch leider bleibt mir keine andere Wahl.
In den letzten Tagen und Wochen musste ich oft an die wunderschöne Zeit in London zurückdenken. Wer weiß, was geworden wäre, wenn sich die Dinge so entwickelt hätten, wie sie begonnen haben.
Renato wusste es zu verhindern. Von dem Moment an, in dem er auf den Plan trat, hatten wir keine Chance mehr, glücklich miteinander zu werden. Er hat mich dazu gedrängt, Dich zu heiraten, obwohl er genau wusste, dass ich mich dazu noch zu jung und unerfahren fühlte. Für ihn zählt einzig und allein, dass es einen männlichen Nachkommen gibt, der nach ihm die Firma weiterführen kann. Wie Du weißt, ist Bernardo nur unser Halbbruder, und Renato hat den Glauben an die Liebe längst aufgegeben.
Also hat er mir diese Aufgabe zugedacht, und da er in Dir die ideale Mutter des Stammhalters der Familie Martelli gefunden zu haben glaubte, hat er mir die Pistole auf die Brust gesetzt. Du kennst ihn ja und weißt selbst, dass er Mittel und Wege findet, seinen Willen durchzusetzen.
An jenem Tag, als ich vorzeitig aus Stockholm zurückgekommen bin, war ich fest entschlossen, ihn dazu zu bewegen, die Hochzeit abzusagen oder wenigstens zu verschieben. Ich bin nicht sicher, ob er mir überhaupt zugehört hat. Ich liebe Dich, Heather – zumindest glaube ich es. Und noch heute Morgen war ich fest entschlossen, Dich zu heiraten. Doch als ich die vielen Menschen vor der Kathedrale sah, musste ich einsehen, dass ich uns beiden etwas vormachen würde, wenn ich mit Dir den Bund fürs Leben eingehe.
Wenn Du kannst, verzeih mir bitte.
Lorenzo
Wie betäubt ließ Heather den Arm sinken und blickte ausdruckslos ins Leere. Es hatte keinen Sinn, länger auf Lorenzo zu warten. Er würde nicht kommen, weder heute noch an irgendeinem anderen Tag. Allen Beteuerungen zum Trotz hatte er sie nie geliebt. Jedenfalls nicht genug, um sie zu heiraten.
Eines musste Heather ihm lassen: Ehrlich war er wenigstens. Was sich von seinem großen Bruder nicht behaupten ließ. Renato hatte sich wieder einmal als der skrupellose Taktierer erwiesen, für den Menschen nichts weiter waren als Figuren in einem Spiel, dessen Regeln er bestimmte.
Hinter ihr hörte sie ihn plötzlich laut
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