Hochzeitsnacht in Acapulco
Sein Charakter war vielschichtiger als der ihres Vaters oder sonst eines Mannes, den sie kannte. Gabriel hatte sich seine eigene Meinung über das Leben und die Welt gebildet und stand dazu, auch wenn man seine Maßstäbe als altmodisch bezeichnete. So wie sie, Joelle, es getan hatte. Dabei bewunderte sie insgeheim die Werte, die für ihn zählten.
Trotzdem musste er verrückt sein, zu glauben, sie würde zu ihm nach Louisiana ziehen und auf einer Farm leben. Allein der Gedanke ließ Joelle schaudern. Sie war in ihrem ganzen Leben noch nie auf einer Farm gewesen, abgesehen von dem Ausflug zu Schulzeiten, als sie eine Hühnerfarm besucht hatte. Nein, das Landleben war nichts für sie! Sie liebte das Tempo der Stadt, die Schnellrestaurants und die Lichter, die nachts die Dunkelheit – und die Einsamkeit – in Schach hielten. Lichter, die ihr völlig auf den Beruf ausgerichtetes Leben erträglich machten.
“Einverstanden. Ich gehe heute Abend mit dir essen”, stimmte Joelle schließlich zu.
Überrascht sah Gabriel sie an. “Schön! Wäre dir acht Uhr recht?”
“Perfekt!”
Er ließ den Blick zu ihren Lippen gleiten, und plötzlich schien die Luft vor Spannung zu knistern. Joelle stockte der Atem.
“Ich dachte gerade dasselbe über deine Lippen”, bemerkte Gabriel.
“Meine Lippen?”, wiederholte sie bestürzt.
“Ja.” Mit dem Zeigefinger zeichnete er sanft die Konturen ihres Mundes nach.
Wie konnte er nur so unverfroren sein! Joelle hätte seine Hand wegschieben sollen, tat es aber nicht.
“Hat dir das noch niemand gesagt?” Sein Blick wurde eindringlich.
Sie erschauerte. “Nein, nicht dass ich mich erinnere.” Momentan konnte sie nicht einmal einen klaren Gedanken fassen, geschweige denn, sich an etwas erinnern!
“Sie sind sehr verführerisch. Das ist mir bei unserer ersten Begegnung sofort aufgefallen. Schön geschwungen und voll. Richtig sinnlich.”
“Wirklich?” Ihr wurden die Knie weich.
“Ja. Wie geschaffen zum Küssen”, antwortete er und neigte sich vor.
Unwillkürlich hob Joelle ihm das Gesicht entgegen. Was machst du da? fragte eine innere Stimme sie.
Keine Ahnung, antwortete Joelle. Sie wusste nur, dass sie sich nicht mehr zurückhalten konnte – oder vielmehr wollte.
Dann küsste Gabriel sie sanft. Nach einer Weile legte er die Arme um sie und presste sie an sich.
Heißes Verlangen durchflutete Joelle, und sie meinte, vor Lust zu vergehen.
Es war genau wie in Mexiko: In einem Augenblick hatte sie noch alles unter Kontrolle gehabt, im nächsten waren ihre Sinne in Aufruhr geraten.
Gabriel ließ die Hände tiefer gleiten und berührte ihre Brüste, dann die Taille und schließlich ihre schmalen Hüften. Eng an ihn gepresst spürte sie, wie sehr er nach ihr verlangte. Immer fordernder küsste er sie, und sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie allen Widerstand aufgeben würde.
Plötzlich klingelte es an der Tür, und das brachte sie beide schlagartig zur Vernunft. Gabriel sah aus, als wäre er von seinem Verhalten überrascht. Dabei hatte er doch angefangen! Wie benommen erwiderte Joelle den Blick.
“Erwartest du Besuch?”, erkundigte Gabriel sich atemlos.
“Nein.” Mühsam verdrängte sie jeden Gedanken an das soeben Geschehene. “Wahrscheinlich will mein Vater zu mir. Er zählt auch zu den Männern, die sich nicht anmelden, sondern einfach auf einen Sprung vorbeikommen”, fügte sie bedeutungsvoll hinzu.
“Verstehe.” Gabriel klang reuig.
Wieder klingelte es.
Sie runzelte die Stirn. “Ich brauche wohl nicht extra darauf hinzuweisen, dass er kein geduldiger Mann ist.”
“Den Eindruck habe ich auch.”
“Übrigens, mein Vater weiß noch nichts von dem Baby”, informierte Joelle Gabriel nervös.
Er wirkte plötzlich finster. “Ach wirklich? Gibt es dafür besondere Gründe?”
“Nur einen: Er würde es nicht gutheißen, dass ich schwanger bin.”
“Du bist eine erwachsene Frau, Ames, und kannst dein Leben gestalten, wie du willst.”
“Sag das nicht mir, sag’s meinem Vater!”
“Vielleicht tue ich genau das”, erwiderte Gabriel gleichmütig.
“Bitte erwähne um Himmels willen das Baby nicht! Ich möchte es meinem Vater schonend beibringen – sobald ich mich dazu bereit fühle.”
“Na gut, dann sage ich nichts.”
Joelle atmete tief durch und ging zur Tür. Nach kurzem Zögern öffnete sie, und ihr Vater stürmte herein.
“Okay, Joelle”, begann er heftig. “Jetzt reicht es! Ich habe mir schon genug von dir
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