Hochzeitsnacht in Acapulco
Gabriel. “Ziemlich kühl heute Abend. Geh du schon mal ins Haus, ich komme gleich nach.”
Ja, der Märzwind ließ sie in der dünnen Bluse frösteln. Joelle schaute zum Haus und sah jemand drinnen an der Tür stehen. Das Licht auf der Veranda flammte auf. Die hilfsbereite Person im Haus war bestimmt niemand anderes als die gefürchtete Haushälterin. Der Gedanke an Big Sadie verursachte Joelle, gemeinsam mit der frischen Brise, eine Gänsehaut. Sie rieb sich die Arme, um sie zu wärmen, und sagte: “Ich glaube, ich warte lieber auf dich.”
Gabriel nahm die Koffer von der Ladefläche und klemmte sich je einen unter den Arm. Dann ging er zur Veranda. “Beeil dich, Joelle, bevor du bis auf die Knochen durchgefroren bist.”
“Das bin ich sowieso schon”, erwiderte sie und folgte ihm.
“Du darfst auf keinen Fall krank werden”, erklärte er bedeutsam.
“Ich weiß”, erwiderte sie in herablassendem Ton. “Es würde dem Baby schaden.” Sie verschränkte die Arme und erschauerte erneut.
Finster runzelte Gabriel die Stirn. “Komm endlich. Du frierst dich ja zu Tode. Ins Haus mit dir!” Mit dem Ellbogen drückte er die Klinke herunter und stieß mit dem Fuß die Tür auf. “Beeil dich, Joelle!”
Sie betrat, die Arme noch immer um sich geschlungen, das Haus. Ihre Hände waren eiskalt, die Füße wie taub, aber das lag wahrscheinlich ebenso sehr an der Nervosität wie an der Kälte. Joelle sah sich um und stellte fest, dass sie sich in der Küche befand. Hier war es warm und behaglich, und sie fühlte sich sofort besser.
“Ich mach heiße Schokolade”, hörte sie hinter sich eine Frau sagen und wandte sich um.
Beim Kühlschrank stand eine kräftige, mittelgroße Frau mit grauem Haar. Sie nahm eine Milchflasche heraus und füllte einen Topf auf dem Herd, dann zündete sie zuerst noch das Gas an, bevor sie aufblickte, einen zugleich wissenden und neugierigen Ausdruck in den Augen.
“Guten Abend”, grüßte Joelle und erschauerte unwillkürlich vor Anspannung. Sie wollte unbedingt einen guten Eindruck auf die Haushälterin machen, mit der sie ab jetzt unter einem Dach leben würde. “Sie sind bestimmt Sadie. Ich bin Joelle Ames. Wir haben schon mal kurz miteinander telefoniert. Vor einigen Wochen.”
Sadie musterte sie eingehend, und Joelle hatte das Gefühl, der Moment würde kein Ende nehmen. Errötend blickte sie Gabriel Hilfe suchend an, aber der schien ihr nicht beistehen zu wollen. Er hatte den Kühlschrank geöffnet und sah unverwandt hinein, wahrscheinlich auf der Suche nach etwas Essbarem.
Wie konnte er jetzt Appetit haben? Am liebsten hätte sie ihm eins hinter die Ohren gegeben!
Sadie kam näher zu ihr. “Sie sind die junge Dame aus Kalifornien, richtig?”
“Ja, Ma’am, die bin ich”, antwortete Joelle höflich, obwohl sie nicht das Gefühl hatte, gute Manieren würden ihr hier weiterhelfen. Sadie erinnerte sie an ihren Vater: Auch die Haushälterin wirkte wie ein Feldwebel, und Joelle fühlte sich unglücklicherweise wie ein mickriger Rekrut. “Gabriel und ich haben uns im Urlaub in Acapulco kennengelernt.”
“Verstehe”, kommentierte Sadie mit verkniffenen Lippen.
“Joelle und ich haben in Mexiko geheiratet”, mischte Gabriel sich unvermittelt ein. “Wegen besonderer Umstände, die sich unserer Kontrolle entziehen, müssen wir aber noch mal hier in den USA getraut werden.”
Sadie runzelte irritiert die Stirn. “Das alles kommt ein bisschen plötzlich, oder meint ihr nicht?”
Er zuckte die Schultern. “Ja, irgendwie schon, aber daran lässt sich nichts mehr ändern.”
“Na ja.” Kritisch schaute die Haushälterin von Gabriel zu Joelle. “Mir scheint, dahinter steckt mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Zuerst ruft sie hier an, dann fliegst du zu ihr nach Kalifornien, und jetzt seid ihr beide hier. Da ist doch was im Busch!”
“Und das ist noch nicht alles.” Er räusperte sich. “Darüber möchte ich mich jetzt allerdings nicht genauer auslassen. Wir besprechen es morgen gleich als Erstes. Jetzt bringe ich erst mal das Gepäck rauf.” Blitzschnell verließ er die Küche.
“Du kommst besser gleich zurück, Gabriel Lafleur”, rief Sadie ihm streng nach. “Du musst noch einiges erklären, so viel ist sicher.”
Zum Kuckuck mit Gabriel, dachte Joelle. Er würde es ihr büßen, dass er sie hier mit diesem Hausdrachen von einer Frau allein ließ!
Sie stand mitten in der Küche und wusste mit sich nichts anzufangen. Am liebsten hätte sie sich in
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