Hochzeitsnacht in Acapulco
auch nichts.”
Sadie ging auf die Bemerkung nicht ein. Sie kam zu Joelle und führte sie zum Tisch. “Na, nun mal keine unnötige Aufregung! Big Sadie weiß schon, was sie tut.”
Joelle wandte kurz den Blick zur Decke. Gabriel hatte recht gehabt: Seine Haushälterin glaubte, im Haus das Sagen zu haben. Sadie war wirklich äußerst herrisch, zugleich aber sehr liebenswert, und das machte sie einzigartig. Man fügte sich mit einem Lächeln in ihre Tyrannei.
“Wo ist Gabriel?”, erkundigte Joelle sich.
“Der arbeitet auf den Feldern. Er ist schon vor Sonnenaufgang aufgestanden. Ja, hier im Süden stehen wir früh auf.”
Joelle schnitt ein Gesicht. “Ich werde mir das zu merken versuchen.”
Plötzlich fiel ihr vage ein, dass jemand in ihr Zimmer gekommen war und sie warm zugedeckt hatte, als es draußen noch dunkel gewesen war. Sie hatte gedacht, sie würde träumen, aber vielleicht war ja Gabriel bei ihr gewesen.
Natürlich hatte er sich nur um sie gekümmert, weil es ihm um die Gesundheit seines Erben ging! Sie war selbstverständlich froh, dass ihm so viel an dem Kind lag. Manchmal wünschte sie sich nur, er wäre um sie ebenso besorgt. Das war eigensüchtig und kindisch, aber sie konnte sich nicht helfen: Sosehr sie es bisher vor sich zu leugnen versucht hatte, anscheinend wollte sie insgeheim doch geliebt werden.
Vergiss es, sagte eine innere Stimme ihr, das alles kommt nur von deiner unglücklichen Kindheit unter der Knute deines Vaters. Ja, ich bin jetzt erwachsen und brauche meinen Vater nicht mehr, ermutigte Joelle sich. Sie brauchte auch Gabriel nicht – oder irgendeinen Mann. Sie war selbstständig und auf niemand angewiesen.
Sadie fragte sie nicht, ob sie hungrig sei, sondern legte einen frisch gebackenen Pfannkuchen auf einen Teller, goss Ahornsirup darüber und stellte ihn auf den Tisch.
“Essen Sie, Kindchen! Sie sind viel zu mager.”
Unwillkürlich lächelte Joelle. Dann aß sie den ersten Bissen und seufzte zufrieden. Das war das leckerste Frühstück, das sie jemals gegessen hatte.
Sadie lächelte breit. “Braves Mädchen”, lobte sie und ging zum Spülbecken. “Gabriel kommt zum Mittagessen. Er hat was vom Aufgebot und In-die-Stadt-Fahren gesagt. Ich nehme mal an, er erwartet, dass Sie ihn begleiten.” Sie wandte sich Joelle zu. “So sind die Männer: Frauen erwarten Babys, Männer erwarten, dass wir Frauen ihre Gedanken lesen! Und Gabriel, Gott segne ihn, ist einer der Schlimmsten. Er glaubt tatsächlich, Frauen wären Hellseherinnen.”
Joelle trank einen Schluck Milch. “Ehrlich gesagt, Sadie, ich hatte gedacht, dass Sie mir heute alle möglichen Fragen stellen würden. Sie wissen schon, über mich und Gabriel.”
“Nicht mehr nötig”, erwiderte Sadie. “Ich hab Gabriel gefragt.”
“Ach so.” Joelle stellte das Glas Milch auf den Tisch und faltete die Hände im Schoß. “Dann verstehen Sie jetzt, warum Gabriel und ich keine konventionelle Ehe führen werden.”
“Also, wenn man mich fragt, wird das überhaupt nichts mit euch beiden, falls ihr nicht endlich die Augen aufmacht und dem ins Gesicht seht, was euch erwartet!”
“Ich weiß, dass Sie mit dem Arrangement nicht einverstanden sind, Sadie.”
“Das bin ich wirklich nicht”, bekräftigte die Haushälterin. “Es steht mir aber nicht zu, was dazu zu sagen. Ich arbeite hier nur, stimmt’s? Außerdem hat Gabriel mir geraten, ich soll mich um meinen eigenen Kram kümmern. Und das tu ich. Ich bin hier, um zu kochen und das Haus sauber zu halten. Und wenn’s dann so weit ist, helfe ich Ihnen mit dem Kleinen. Bis dahin sehe ich es als meine Pflicht und Schuldigkeit an, Ihnen alles beizubringen, was ich übers Haushalten weiß. Und eines Tages werden Sie’s mir danken.”
Stirnrunzelnd lehnte Joelle sich zurück. Hatte Gabriel gedacht, er würde Sadie gnädiger stimmen, wenn er ihr befahl, sich nicht einzumischen? Dann stand ihm eine Überraschung bevor! Irgendwie hatte sie das Gefühl, Sadie habe noch etwas Bestimmtes vor, und zwar nicht nur, sich als Kochlehrerin zu betätigen. Wahrscheinlich hat sie das aber nur so dahingesagt, dachte Joelle. Sie konnte sich nicht vorstellen, gleich ihre erste Lektion in Haushaltsführung zu erhalten.
Um halb elf hatte sie jedoch die erste Unterrichtseinheit bereits hinter sich und gezeigt bekommen, wie man eine Hühnerpastete zubereitete. Unglücklicherweise sah die Teigkruste ihrer Pastete so aus, als hätte ein Erdbeben sie völlig zerstört und eine
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