Höchstgebot
handelte es sich um eine Entscheidung binnen Sekunden oder um einen spontanen Impuls.
Molendorp hatte offenbar begriffen, dass er dem, was er ›unerwünschten Informationsfluss innerhalb der Behörde‹ nannte, rasch ein Ende bereiten musste. Die Ermittlungen gegen Debriek waren in vollem Gange und er konnte nicht riskieren, dass ein weiterer Einsatz der Verhaftungseinheit erneut sabotiert wurde.
»Ihr müsst noch etwas warten«, erklärte er. »Die Rijksrecherche ist nach den ersten Ergebnissen gerade mit Folgeermittlungen beschäftigt.«
Zu diesem besonderen Anlass hatte Molendorp seine Uniform angelegt. Skeptisch verzog er den Mund. Von seinem triumphierenden Auftreten in der Fernsehsendung war nicht mehr viel übrig geblieben. Micky wusste aus Erfahrung, dass die Rijksrecherche nur dann so viel Dampf machte, wenn es eine heiße Spur gab.
Molendorp zog seine Jacke aus.
»Welche ersten Ergebnisse?«, fragte Katja.
Molendorp holte zwei Tassen Kaffee am Automaten und stellte sie auf den Tisch.
»Das kannst du dir doch an allen zehn Fingern ausrechnen«, antwortete er finster.
»Mach mal vor«, erwiderte Katja.
»Wir haben alle Schritte rekonstruiert, von dem Moment an, als ich die Verhaftungseinheit für die Aktion auf dem Campingplatz angefordert habe bis zu dem Zeitpunkt, als die Kollegen die beiden flüchtigen Schlägertypen aus den Augen verloren haben«, begann er. »Kommunikationsschema, Zeitschema, Wegstrecken. Als Erstes haben sie sich den Leiter der Einheit vorgeknöpft, der für die Zusammenführung der Truppe und das Briefing zuständig ist. Natürlich hat er für seine Jungs die Hand ins Feuer gelegt, aber auch ihm war aufgefallen, dass die Anfahrtszeit diesmal zu wünschen übrig ließ. Die Einheit hat sich zunächst im Maastrichter Präsidium versammelt. Der Zeitpunkt ihres Eintreffens ist dort registriert worden. Die Rijksrecherche hat sämtliche Mitglieder der Einheit unter die Lupe genommen und ist ziemlich schnell auf einen gewissen Pieter Sticht gestoßen, der eine Dreiviertelstunde später als die anderen eingetrudelt ist. Er hat behauptet, bei seiner Freundin in Rosmalen gewesen zu sein, was gegen jede Regel verstieß, weil er Bereitschaft hatte. Er hätte innerhalb einer halben Stunde vor Ort in Maastricht sein müssen. Nach eigener Aussage war er obendrein auf der A 50 bei Eindhoven in einen Stau geraten.«
»Kann stimmen, ein Stau gegen halb sechs«, bestätigte Micky.
»Das war aber auch so ziemlich das Einzige, was gestimmt hat. Zur Sicherheit hat die Rijksrecherche bei den Kollegen in Eindhoven die Aufnahmen von den Autobahnen angefordert«, sagte Molendorp. »Die Freundin haben sie auch überprüft. Das war so eine mit ultrakurzen Beziehungen zu je hundert Euro die Stunde. Damit wird alles schon fragwürdiger, denn für ein Scheinchen mehr erzählt so ein Mädchen alles, was der Kunde will.«
»Das beweist aber noch nichts«, wandte Katja ein. »Rumhuren und im Stau stehen. Damit schlagen so einige Männer ihre Zeit tot. Das macht einen noch nicht zum Verräter. Warum ist die Einheit nicht ohne den verspäteten Mann aufgebrochen?«
»Eine Frage des Teamgeistes, das hat jedenfalls der Leiter der Verhaftungseinheit behauptet«, antwortete Molendorp. »Vor allem aber deswegen, weil Sticht der inoffizielle Anführer ist. Er ist der Haudegen der Truppe. Der Härteste, der Schnellste, geht immer als Erster rein. So läuft das da.«
»Wie konnte die Verfolgung dann schiefgehen?«, fragte Micky.
»Kommunikationsprobleme«, antwortete Molendorp. »Der Leiter der Verhaftungseinheit behauptet, er habe das Kennzeichen des gesuchten Wagens durchgegeben und Sticht beauftragt, ihn zu verfolgen. Sticht dagegen schwört hoch und heilig, er habe den Auftrag erhalten, zu der Adresse zu fahren, die zu dem Kennzeichen gehörte. Er ist also in irgendeiner Wohnung in einem Nest namens Terblijt eingefallen. Die Bewohner haben sich zu Tode erschreckt, sie wussten natürlich von nichts, das Nummernschild war gestohlen worden.«
»Und der Leiter der Einheit selbst?«
»Er hat Carsten Roeder verfolgt«, sagte Molendorp. »Aber der war ebenfalls spurlos verschwunden.«
»Der hat also auch Fehler gemacht?«, fragte Micky.
»Da ist noch etwas«, fuhr Molendorp fort. »Ich habe mich persönlich bei der Personalabteilung informiert. Dieser Pieter Sticht quittiert zum Ende des Monats den Dienst.«
»Was hat er vor?«
»Das weiß niemand. Vor zwei Jahren hat er seinen Abschied vom
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