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Höchstgebot

Höchstgebot

Titel: Höchstgebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hoeps/Toes
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ähnlich zerstören, wie diese bescheuerten Diebe es getan haben.«
    »Wieso?«, auch diese Frage Anouks schoss wie eine Kugel auf Robert zu.
    »Dass ich Ihnen das erklären muss«, Robert wurde jetzt ernsthaft böse. »Diese Bilder erzählen keine Geschichte. Sie erzählen Dutzende Geschichten. Simultan. Geschichten, die einander widersprechen und sich gegenseitig durchkreuzen, sogar auslöschen. Und nur aus dem Zusammenhang entsteht diese beängstigende Wahrhaftigkeit. Diese Bilder sind Mysterien der Wahrheit. Ich werde sie nicht plattmachen, bloß weil Sie mich dazu zwingen wollen.«
    Anouk lehnte sich entspannt zurück. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, sah sie ihn zufrieden an. »Dann sollten wir uns jetzt endlich duzen«, sagte sie grinsend.
    Robert blies die Luft aus wie ein gestrandeter Wal.
    Nachdem sie im Supermarkt ein Picknick zusammengestellt hatten, suchten sie am Ufer der Maas einen schönen Platz und breiteten dort eine Decke aus. Anouk setzte eine Fünfzigerjahre-Sonnenbrille mit mandelförmigen grünen Gläsern auf, streckte die Beine aus und angelte, den Kopf gemütlich in die eine Hand gelegt, mit der anderen nach einem Stückchen Käse.
    »Du sitzt da wie ein deutscher General«, grinste sie.
    »Ich sitze hier wie jemand, der vor Kurzem beinahe von einem Zug zermalmt worden wäre«, antwortete Robert und gab, als sie ihn neugierig ansah, in kurzen Worten wieder, was ihm widerfahren war.
    »O ja, höchste Zeit für meine Tropfen«, schloss er und zückte die Tramadol – Flasche.
    »Gibt’s auch als Tabletten und wirkt dauerhafter.«
    »Die Tabletten nehme ich morgens und abends, die Tropfen zwischendurch helfen bei der Arbeit.«
    »Ich wäre sparsam damit. Das Zeug macht süchtig«, warnte Anouk.
    »Du kennst dich ja aus.«
    »Ja«, sagte sie und setzte sich auf.
    »Wie ist eigentlich Debriek auf dich gekommen?«, wechselte Robert das Thema.
    »Er suchte einen Magritte-Spezialisten Und ich habe seit meiner Ausbildung am SRAL als Freelancer für das Magritte-Museum in Brüssel gearbeitet. Wir haben zwei Jahre vor der Eröffnung begonnen, alle Bilder zu begutachten, zu reinigen und Schäden auszubessern.«
    »Beneidenswerter Job«, Robert ließ eine Traube zwischen seinen Zähnen platzen.
    Anouk sah ihn prüfend an, Robert grübelte, ob er etwas Falsches gesagt hatte, aber dann zog sie die dünne Strickjacke aus, die sie auch die ganze Zeit im Atelier getragen hatte. Ihr Kleid hatte einen extravaganten Schnitt und ließ die Schultern frei. Aber noch ehe Robert fragen konnte, ob solche Kleidung beim Restaurieren praktisch war, blieb sein Blick auf ihren Unter- und Oberarmen haften, über die sich zahlreiche Narben grober Schnitte zogen. Anouk hatte sich früher geritzt.
    »Haben deine Eltern dir nicht beigebracht, dass man Krüppel nicht anstarrt?«, fragte sie scharf und griff nach ihrer Jacke.
    »Warte«, Robert fasste nach ihrer Hand. »Entschuldige. Es kam nur etwas überraschend. Du machst einen so starken Eindruck.«
    »Ich bin stark. Glaubst du, man macht das, weil man schwach ist?«
    »Keine Ahnung. Ich dachte.«
    »Eh egal. Ist lange vorbei. Ich will zurück ins Atelier.«
    Robert machte keine Anstalten aufzustehen. »Die Surrealisten hätten deinen Arm ziemlich spannend gefunden.«
    »Was fällt dir ein?«, sie sah ihn verblüfft und zornig zugleich an. »Du weißt nichts von mir und sagst solche Sätze.«
    »Du hast mich genau gecheckt, bevor du die Jacke ausgezogen hast. Weil du wusstest, du kannst mit mir darüber reden.«
    »Quatsch! Ich dachte, du wärest sensibel genug, mich nicht darauf anzusprechen.«
    »Ich bin sensibel genug, dich darauf anzusprechen, weil ich anerkenne, dass es ein Teil von dir ist.«
    »Du bist ein blöder Spinner«, rief Anouk und warf sich auf ihn.
    Robert fiel auf den Rücken und schrie vor Schmerz auf, aber Anouk schloss seinen Mund mit ihren Lippen. Er spürte erstaunt, wie tief ihre kleine Zunge vorzudringen verstand und sich bewegte, als wollte sie alles in ihm in Besitz nehmen, sich plötzlich aber wieder zurückzog, ehe Anouk in seine Lippen biss und er einen Tropfen Blut schmeckte. Das war kein Küssen, sondern Blitzkrieg.
    Sie setzte sich hin, strich sittsam über ihr Kleid und griff nach ihrer Wasserflasche. »Können wir jetzt endlich gehen?«, fragte sie.
    Sascha Heidfeld wohnte im Dachgeschoss eines Mietshauses in der Kapellenstraße am Rand des Ferberparks, nicht gerade im Zentrum, aber in der Nähe eines breit gefächerten Angebots von

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