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Höchstgebot

Höchstgebot

Titel: Höchstgebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hoeps/Toes
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seine Nackenschmerzen, mit denen er für diese Rettungsaktion hatte zahlen müssen. Im Voraus begann er, sich über all die kleinkarierten Mäkeleien zu ärgern, mit denen Anouk nun möglichweise auftrumpfen würde. Aber das Gegenteil war eingetreten und Anouk hatte ihm großen Respekt gezollt, weil er die Quellungen fast vollständig hatte rückgängig machen können. Robert wiederum hatte sich eingestehen müssen, dass er von Anouks Vorschlägen zur Verbindung der Randstücke mit dem Bildbereich sehr angetan war.
    In ihm schwelte eine diffuse Unzufriedenheit darüber, dass sie seine negativen Erwartungen so schamlos enttäuschte. In einem letzten Aufbäumen begab er sich auf das Feld, das ihm beinahe so wichtig war wie die Kunst des Restaurierens und fragte Anouk, ob sie etwas gegen Musik bei der Arbeit hätte.
    »Solange ich sie aussuchen darf«, antwortete sie.
    »Solange Sie Ihre Auswahl aus meinem iPod treffen«, konterte er.
    »Mal sehen«, sagte sie und ging zu seiner kleinen transportablen Anlage. Sie scrollte mindestens zweimal die Liste rauf und runter.
    »Sagen Sie bloß, Sie finden nichts«, brummte Robert.
    Da drückte sie schon die Starttaste und Paul Wellers Stimme setzte ein. Eine gute Wahl, das musste er zugeben.
    »Zeig mir deine Musiksammlung und ich sage dir, wer du bist«, philosophierte Anouk, während sie zum Arbeitstisch zurückkehrte.
    »Und?«
    »Eine gehörige Abteilung Mainstream-Schrott.«
    Mainstream-Schrott – wieso verwendete sie Wörter, die ihm gefielen, wo sie ihn doch beleidigen sollten, dachte Robert, während er mit unbewegter Miene die Pause durchstand, die Anouk nach ihrer Attacke eingelegt hatte.
    »Und eine Menge guter Sachen. Vieles, das ich noch nicht kenne. Alles in allem: überraschend interessant.«
    »Mainstream-Schrott kann ein perfekter Speicher für die sentimentalsten Momente des Lebens sein.«
    »Oh, ein Merksatz. Ich stimme zu. Allerdings gibt es Grenzen.«
    »Das stimmt. Und wann darf ich Ihre Musiksammlung kritisch untersuchen?«
    »Magritte hat einmal gesagt, er fände es zu schwierig, mit Menschen auszukommen, die keine Musik mögen.«
    »Ein Bruder im Geiste.«
    »Unbedingt«, lachte Anouk van Berg.
    »Haben Sie mal Diva gesehen? Den französischen Spielfilm?«, fragte Robert, der sich wider Willen von der Atmosphäre der Unterhaltung mitreißen ließ.
    »Wollen Sie Magritte mit einem schnöseligen Jungpostboten vergleichen, der sich heillos in eine Opernsängerin verliebt?«
    Robert konnte einen begeisterten Blick nicht unterdrücken. »Niemals. Meine Lieblingsfigur ist der unglaublich schlecht gelaunte Killer. Dieser Typ, der, wenn er überhaupt einmal spricht, nur Sätze sagt wie ›Ich kann Fahrstühle nicht ausstehen‹.«
    Anouk lachte schallend. »Der mit dem altertümlichen Knopfohrhörer.«
    »Genau. Alle wollen wissen, was der Misanthrop da hört. Und als er erschossen wird, fällt der Ohrhörer heraus und was ist zu hören? Wunderbarste urfranzösische Musette.«
    »Sie meinen, es ist manchmal auch schwierig, mit Musikliebhabern auszukommen?«
    »Es kann sogar tödlich enden. Weil wahre Musikliebhaber immer Romantiker sind.«
    Während sie sorgsam mit einer Spritze kleine Störleimpunkte unter die gelösten Farbschollen brachte, die er mit einem Heizspachtel niederlegte, hatten sie die ganze Zeit über in einem Rhythmus von Konzentration und Entspannung miteinander geplaudert.
    Dann geriet er in den Hinterhalt. Anouk zeigte plötzlich, gerade als sie zum Mittagessen gehen wollten, auf das Gemälde und fragte: »Was sehen Sie da?«
    »Wo?«, fragte Robert und folgte ihrer ungefähren Handbewegung.
    »Na, auf dem Bild!«
    »Sie meinen einen Schaden?«
    »Jetzt stellen Sie sich doch nicht so blöd an. Im Ganzen, was zeigt das Bild?« Anouks Stimme hatte jetzt wieder die inquisitorische Schärfe angenommen, mit der sie gestern seinen Schadensbericht kommentiert hatte.
    Robert stürzte aus dem zwölften Stock seiner Hochstimmung. »Augen und Mund einer Frau, ein Perlendiadem, eine Grotte, eine Schelle, das Meer«, antwortete er lustlos.
    »Mein Gott, sind Sie etwa einer dieser Restauratoren, die nur an der Oberfläche herumkratzen?«
    »Solche Restauratoren kenne ich nicht.«
    »Weichen Sie nicht aus. Was sagt Ihnen das Bild?«
    »Ich mache das nicht«, Robert legte störrisch den Spachtel beiseite und stand von seinem Hocker auf.
    »Was?«
    »Magritte-Gemälde interpretieren. Das ist absurd. Man kann einen Magritte nicht ausdeuten. Das würde ihn

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