Höchstgebot
Ahnung.«
»Sie haben sie nicht mehr gesehen?«
Sjannie schaute Micky ins Gesicht. »Sie waren in der Nähe des hinteren Tores …« Sie zeigte auf ein winziges Display unter dem Tresen. »Die Überwachungskamera hat sie dort vor ungefähr einer halben Stunde erfasst.«
18
»Die gute Frau hat hinter dem Rücken ihres Mannes in die eigene Tasche gewirtschaftet«, stellte Katja fest.
»Eine alte Tradition der Geldbeschaffung aus den Zeiten prunkvollen katholischen Lebens«, antwortete Micky. »Deswegen macht die Steuerfahndung in Limburg immer reiche Beute.«
»Dann bleibt ihr jetzt nichts anderes übrig, als den heiligen Ambrosius anzurufen.«
»Wer ist das?«
»Der Schutzpatron der Hausfrauen.«
»Woher weißt du so etwas?«
»Weil Ambrosius auch der Schutzpatron der Polizisten ist.«
»Multitasking im Himmel?«
»Gott selbst hat es erfunden. Während der Schöpfung.«
Micky und Katja unterhielten sich flüsternd. Sie standen in nebeneinanderliegenden Toilettenkabinen auf den Klobrillen und spähten durch die Oberlichter zum Bungalow auf der anderen Seite des geteerten Weges hinüber. Das Häuschen vom Typ ›Wanderhütte‹ war die einfachste Unterkunft im Vakantiepark De Gulper und Betreiber Mart hatte erzählt, dass es nur kaltes Wasser gab. Die Einrichtung bestand aus einem Etagenbett, einem Tisch mit vier Stühlen, einem Kühlschrank und einem Gasherd. Ein richtiges Bad gab es nicht, nur eine Toilette. Sjannie hatte die beiden jungen Männer vor zwei Tagen dort untergebracht, am späten Nachmittag, also wahrscheinlich kurz nach ihrer Flucht aus dem Hotel in Lüttich. Gleich nach der Ankunft hatten sie die Übergardinen vorgezogen und nur Sascha hatte sich seitdem noch einmal blicken lassen, um im Supermarkt des Campingplatzes einzukaufen – Proviant für eine ganze Woche.
Katja hatte sofort Molendorp angerufen und Kennzeichen und Beschreibung des Autos hinter dem Müllcontainer durchgegeben. Über EPICC erhielt Molendorp unverzüglich das Ergebnis: Der Wagen war tatsächlich auf Sascha Heidfeld angemeldet. Molendorp reichte das, um ein Verhaftungskommando anzufordern.
»Es wird leider eine Stunde dauern oder etwas mehr«, erklärte er. »Wir arbeiten hier mit einem überregionalen Team. Einige Mitglieder müssen erst aus Brabant kommen.« Er fügte hinzu, dass die Zielpersonen auf keinen Fall alarmiert werden dürften. »Nicht auf eigene Faust reingehen!«, befahl er. »Überlasst das der Spezialeinheit. Die überprüft vorher mit Infrarot, wer sich alles in der Hütte aufhält.«
»Da sind welche hinter ihnen her!«, protestierte Katja. »Wahrscheinlich sind die Typen sogar schon drin!«
»Ein Grund mehr, draußen zu bleiben«, entgegnete Molendorp.
»Molendorp hat kein Wort gesagt, dass wir sie nicht observieren dürfen«, hatte Katja nach dem Telefonat gesagt.
»Dann gehen wir undercover.«
Parkbetreiber Mart war nicht umsonst bei der Polizei gewesen. Sofort besorgte er zwei gelb-grün gestreifte Overalls, gelbe Gummihandschuhe und Mützen mit Parklogo aus dem Lager. Dazu gab er Micky und Katja noch ein Paar Stiefel und dann zogen sie als Reinigungstrupp los. Bewaffnet mit Eimern und Abziehern waren sie zur Sanitäreinheit Nummer fünf gepilgert und hatten in den Damentoiletten Position bezogen. Die Zwischenwände waren nicht bis zur Decke hochgezogen, sodass sie einander darüber hinweg sehen konnten.
Das hintere Tor des Ferienkomplexes, das zwanzig Meter weiter hinter einem Waldsaum lag, war ein Problem. Viele Gäste benutzten es, um ihre vierbeinigen Freunde auf der dahintergelegenen Hundewiese herumtollen zu lassen. Mickys Vorschlag, diesen potenziellen Fluchtweg zu blockieren, wurde rasch verworfen.
»Dann sammeln sich die Hundebesitzer vor dem Tor«, warnte Mart, »und es gibt Krach, weil die Hunde aufeinander losgehen. Das würde die Leute in der Hütte sicher beunruhigen, und wenn sie dann feststellen, dass das Tor ohne ersichtlichen Grund abgesperrt ist, wissen sie Bescheid.«
Micky und Katja kamen sich vor wie bei einer Hundeshow, vor allem nach der Abendessenszeit. Manchmal blieben die Hundebesitzer vor der Wanderhütte stehen und ließen ihren Hunden schon mal ein paar Meter Leine als Vorgeschmack auf die große Freiheit hinter dem Tor. Einmal schnüffelte und kratzte ein Hund am Türrahmen der Hütte, doch niemand öffnete.
»Wer könnten die Auftraggeber von Sascha und Patrick sein?«, fragte Micky, nachdem sie eine junge Frau mit zwei Zwergschnauzern hatten vorbeigehen
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