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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Hände und lockerte mit einer ganz sanften Bewegung meinen Schal, achtete dabei aber darauf, ja nicht meine Haut zu berühren. Er roch nach Seife und Schweiß.
    Das Taxi hielt an. Ein Blick aus dem Wagenfenster sagte mir, daß wir in Soho waren. Ich sah einen Schreibwarenladen, ein Feinkostgeschäft, Restaurants. Der Geruch von Kaffee und Knoblauch lag in der Luft. Er stieg aus und hielt mir wieder die Tür auf. Ich spürte, wie das Blut in meinem Körper pulsierte. Er lehnte sich gegen eine schäbige Tür neben einem Bekleidungsgeschäft, und ich folgte ihm eine schmale Treppe hinauf. Er zog einen Schlüsselbund aus der Tasche und sperrte zwei Schlösser auf. Hinter der Tür lag nicht bloß ein Zimmer, sondern eine kleine Wohnung. Mein Blick fiel auf ein Regal, Bücher, Bilder, einen Teppich. Zögernd blieb ich an der Schwelle stehen. Das war meine letzte Chance. Durch die Fenster drang Straßenlärm herein, das Gewirr von Stimmen, das Brummen der Autos. Er schloß die Tür und verriegelte sie von innen.
    Ich hätte Angst haben sollen und hatte sie auch, aber nicht vor ihm, diesem Fremden, sondern vor mir selbst.
    Ich erkannte mich nicht wieder. Ich verging vor Verlangen, als würden sich die Umrisse meines Körpers langsam auflösen. Ich wollte meinen Mantel ausziehen, machte mich mit ungeschickten Händen an den Samtknöpfen zu schaffen.
    »Warte«, sagte er. »Laß mich das tun.«
    Zuerst nahm er mir den Schal ab und hängte ihn behutsam über den Kleiderständer. Als nächstes zog er mir langsam den Mantel aus. Dann kniete er sich auf den Boden und streifte mir die Schuhe ab. Ich stützte eine Hand auf seine Schulter, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er stand wieder auf und begann, meine Strickjacke aufzuknöpfen. Ich sah, daß seine Hände leicht zitterten. Nachdem er mir die Jacke ausgezogen hatte, öffnete er den Reißverschluß meines Rocks. Beim Herabziehen kratzte der Stoff über meine Strumpfhose.
    Dann rollte er die Strumpfhose herunter und legte sie neben meine Schuhe. Noch immer vermied er jede Berührung meiner Haut. Als letztes zog er mir mein Unterhemd und meinen Slip aus. Nackt und leicht schaudernd stand ich in dem fremden Raum.
    »Alice«, sagte er. Es hörte sich fast wie ein Stöhnen an.
    »O Gott, wie schön du bist, Alice!«
    Ich zog ihm die Jacke aus. Seine Arme waren muskulös und gebräunt; von seinem linken Ellbogen bis zum Handgelenk verlief eine weitere lange, wellige Narbe. Ich folgte seinem Beispiel und kniete mich auf den Boden, um ihm Schuhe und Socken auszuziehen. Am rechten Fuß hatte er nur noch drei Zehen. Ich beugte mich hinunter und küßte die Stelle, an der die anderen beiden gewesen waren. Er seufzte leise. Ich zog ihm das Shirt aus der Jeans, und er hob wie ein kleiner Junge die Arme, als ich es ihm über den Kopf streifte. Er hatte einen flachen Bauch, über den eine schmale Haarspur nach unten verlief.
    Ich öffnete den Reißverschluß seiner Jeans und manövrierte sie vorsichtig über seinen Po. Seine Beine waren sehnig und sehr braun. Ich zog ihm den Slip aus und ließ ihn zu Boden fallen. Jemand stöhnte, aber ich weiß nicht, wer es war, er oder ich. Er schob eine Strähne meines Haars hinter mein Ohr. Dann fuhr er mit dem Zeigefinger ganz langsam meine Lippen entlang. Ich schloß die Augen.
    »Nein«, sagte er. »Sieh mich an.«
    »Bitte«, sagte ich. »Bitte.«
    Er nahm mir die Ohrringe ab und ließ sie fallen. Ich hörte sie auf dem Holzboden klirren.
    »Küß mich, Alice!« sagte er.

    So etwas war mir noch nie passiert. Sex war für mich noch nie so gewesen. Es hatte in meinem Leben mittelmäßigen Sex gegeben, peinlichen Sex, schmutzigen Sex, guten Sex, großartigen Sex. Das hier hatte mehr von vernichtendem Sex. Wir krachten ineinander, versuchten die trennende Barriere aus Haut und Fleisch zu überwinden. Wir klammerten uns aneinander, als würden wir ertrinken. Wir kosteten einander, als wären wir völlig ausgehungert. Und die ganze Zeit sah er mich an. Er sah mich an, als wäre ich das Schönste, was er je gesehen hätte, und während ich auf dem harten, staubigen Boden lag, fühlte ich mich tatsächlich schön – schön, schamlos und ziemlich am Ende.
    Hinterher zog er mich vom Boden hoch und führte mich in die Dusche. Er seifte meine Brüste ein und wusch mich zwischen den Beinen. Er wusch mir die Füße und Beine.
    Er wusch mir sogar das Haar, wobei er das Shampoo gekonnt einmassierte und meinen Kopf nach hinten neigte, damit mir nichts in die

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