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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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mich in einer Kaffeepause kurz davonstehlen und mir Stiefel kaufen. Rund um mich herum eilten die Leute mit gesenktem Kopf in ihr jeweiliges Büro.
    Vielleicht sollten Jake und ich im Februar mal wegfahren, irgendwohin, wo es heiß und einsam war. Mir war jeder Ort recht, solange es sich nicht um London handelte. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich schlank und gebräunt im Bikini an einem weißen Sandstrand liegen, über mir nur blauen Himmel. Ich hatte zuviel Werbung gesehen.
    Normalerweise trug ich nur Einteiler. Außerdem hatte Jake mir erst kürzlich ins Gewissen geredet, mehr zu sparen.
    Am Zebrastreifen blieb ich stehen. Ein Lastwagen donnerte vorbei. Ich erhaschte einen Blick auf den Mann, der hoch oben in seinem Fahrerhaus saß, ohne die Leute wahrzunehmen, die unten auf der Straße ihrer Arbeit entgegentrotteten. Der nächste Wagen kam mit quietschenden Bremsen zum Stehen. Ich trat auf den Zebrastreifen hinaus.
    Ein Mann überquerte die Straße von der gegenüberliegenden Seite. Ich registrierte, daß er schwarze Jeans und eine schwarze Lederjacke trug. Dann wanderte mein Blick hinauf zu seinem Gesicht. Ich weiß nicht, wer zuerst stehenblieb, er oder ich. Wir standen beide auf der Straße und starrten uns an. Ich glaube, ich hörte jemanden hupen. Ich konnte mich nicht von der Stelle bewegen. Das Ganze schien eine Ewigkeit zu dauern, aber wahrscheinlich war es nur eine Sekunde. Ich spürte ein leeres Gefühl im Magen und bekam nicht richtig Luft.
    Wieder hörte ich ein Auto hupen. Eine Stimme rief irgend etwas. Seine Augen waren stechend blau. Wir setzten uns beide wieder in Bewegung. Als wir aneinander vorübergingen, waren wir nur Zentimeter voneinander entfernt und konnten den Blick nicht abwenden. Wenn er die Hand ausgestreckt und mich berührt hätte, wäre ich ihm wahrscheinlich gefolgt, aber er berührte mich nicht, und ich erreichte die andere Straßenseite allein.
    Ich ging ein paar Schritte auf das Gebäude zu, in dem die Drakon-Büros untergebracht waren, blieb dann aber stehen und wandte den Kopf. Er war noch da und beobachtete mich. Statt zu lächeln oder sonst eine Geste zu machen, sah er mich einfach nur an. Es kostete mich große Anstrengung, mich wieder abzuwenden. Ich hatte das Gefühl, als würde er mich mit seinem Blick zu sich ziehen. Als ich die Türen des Drakon-Gebäudes erreichte, drehte ich mich ein letztes Mal um. Der Mann mit den blauen Augen war verschwunden. Das war’s.

    Ich ging sofort auf die Toilette, schloß mich in eine Kabine ein und lehnte mich gegen die Tür. Mir war schwindlig, meine Knie zitterten, und meine Augen kamen mir seltsam schwer vor, als wären sie voller ungeweinter Tränen. Vielleicht brütete ich eine Erkältung aus.
    Vielleicht war meine Periode überfällig. Ich dachte an den Mann und die Art, wie er mich angestarrt hatte. Dann schloß ich die Augen, als könnte ich ihn auf diese Weise irgendwie aussperren. Eine andere Frau kam in den Raum und drehte den Wasserhahn auf. Ich stand so still und reglos da, daß ich unter meiner Bluse mein Herz klopfen hörte. Ich legte eine Hand auf meine brennende Wange, dann auf meine Brust.
    Nach ein paar Minuten konnte ich wieder richtig atmen.
    Ich wusch mir das Gesicht mit kaltem Wasser, kämmte mein Haar und dachte sogar daran, eine winzige Pille aus ihrem Folienkalender zu drücken und
    hinunterzuschlucken. Der seltsame Schmerz in meinem Magen ließ allmählich nach, und ich fühlte mich bloß noch schwach und nervös. Gott sei Dank hatte niemand etwas mitbekommen. Ich holte mir am Automaten im zweiten Stock einen Kaffee und einen Schokoriegel, weil ich plötzlich schrecklich hungrig war. Dann ging ich in mein Büro. Dort riß ich das Papier von der Schokolade und verschlang sie in großen Bissen. Mein Arbeitstag begann. Ich las meine Post, warf einen Großteil davon in den Papierkorb, schrieb ein Memo an Mike und rief dann Jake in der Arbeit an.
    »Wie läuft dein Tag?« fragte ich.
    »Er hat gerade erst angefangen.«
    Mir kam es vor, als wären schon Stunden vergangen, seit ich von zu Hause aufgebrochen war. Wenn ich mich zurückgelehnt und die Augen geschlossen hätte, hätte ich stundenlang schlafen können.

    »Gestern nacht war es schön«, sagte er mit leiser Stimme. Wahrscheinlich war er nicht allein im Raum.
    »Mmm. Obwohl ich mich heute morgen ein bißchen seltsam gefühlt habe.«
    »Geht es dir jetzt wieder besser?« Er klang besorgt. Ich bin sonst nie krank.
    »Ja. Bestens. Wunderbar. Geht es dir

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