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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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mit meiner eigenen Seife ein. Wusch mir das Haar mit meinem eigenen Shampoo. Anschließend kroch ich zu Jake ins Bett. Er drehte sich zu mir um und murmelte etwas.
    »Ich dich auch«, sagte ich.

    4. KAPITEL
    Jake weckte mich mit meinem Tee. Er saß im Bademantel auf der Bettkante und strich mir das Haar aus der Stirn, während ich langsam wach wurde. Ich starrte ihn an, und die Erinnerung flutete zurück, katastrophal und übermächtig. Meine Lippen fühlten sich wund und aufgedunsen an, mein Körper schmerzte. Bestimmt sah er es mir auf den ersten Blick an. Ich zog die Decke bis zum Kinn hoch und lächelte ihn an.
    »Du siehst heute morgen sehr hübsch aus«, sagte er.
    »Hast du eine Vorstellung, wie spät es ist?«
    Ich schüttelte den Kopf. Mit einer theatralischen Geste blickte er auf seine Uhr.
    »Fast schon halb zwölf; zum Glück ist Wochenende.
    Wann bist du denn gestern gekommen?«
    »Mitternacht. Vielleicht ein bißchen später.«
    »Sie nehmen dich zu hart ran«, sagte er. »Trink deinen Tee. Du weißt ja, daß wir bei meinen Eltern zum Mittagessen eingeladen sind.«
    Das hatte ich völlig vergessen. Inzwischen schien nur noch mein Körper so etwas wie ein Erinnerungsvermögen zu besitzen. Mein Körper erinnerte sich: an Adams Hände auf meiner Brust, Adams Lippen an meinem Hals, Adams Augen, die in meine starrten. Jake lächelte mich an und massierte meinen Nacken, während ich mich nach einem anderen Mann verzehrte. Ich nahm Jakes Hand und küßte sie.
    »Du bist ein netter Mann«, sagte ich.
    Er verzog das Gesicht.
    »Nett?«

    Er beugte sich zu mir herunter und küßte mich auf die Lippen. Dabei hatte ich das Gefühl, als würde ich jemanden betrügen. Jake? Adam?
    »Soll ich dir ein Bad einlassen?«
    »Das wäre wunderbar.«
    Ich goß einen Schuß Zitronenbadeöl in das Wasser und säuberte mich erneut von oben bis unten, als könnte ich das, was passiert war, einfach wegwaschen. Ich hatte gestern überhaupt nichts gegessen, aber allein der Gedanke an Essen verursachte mir Übelkeit. Während ich in dem heißen, duftenden Wasser lag, schloß ich die Augen und gestattete mir, an Adam zu denken. Ich durfte ihn nie, nie wiedersehen, soviel war klar. Ich liebte Jake.
    Mir gefiel mein Leben. Ich hatte mich unmöglich benommen und würde alles verlieren. Ich mußte ihn wiedersehen, und zwar sofort. Das einzige, was wirklich zählte, waren seine Berührungen, der sehnsüchtige Schmerz meines Fleisches, die Art, wie er meinen Namen sagte. Ich würde ihn noch einmal sehen, nur noch ein einziges Mal, um ihm zu sagen, daß es vorbei sei.
    Wenigstens das war ich ihm schuldig. Was für ein Schwachsinn! Ich belog mich selbst genauso wie Jake.
    Wenn ich ihn wiedersehen und in sein schönes Gesicht blicken würde, dann würde ich auch wieder mit ihm schlafen. Nein, das einzig Richtige war, mich von allem zu distanzieren, was gestern passiert war. Mich auf Jake und meine Arbeit zu konzentrieren. Aber ein einziges Mal noch, ein allerletztes Mal.
    »Noch zehn Minuten, Alice? In Ordnung?«
    Der Klang von Jakes Stimme brachte mich wieder zur Besinnung. Natürlich würde ich bei ihm bleiben.
    Vielleicht würden wir heiraten und Kinder bekommen, und eines Tages würde das alles nur noch eine Erinnerung sein, eins von den lächerlichen Dingen, die man getan hatte, bevor man erwachsen geworden war. Ich wusch mich ein letztes Mal. Von meinem Körper, der mir plötzlich fremd vorkam, perlten Luftblasen nach oben. Ich stieg aus der Wanne. Jake hielt mir ein Handtuch hin.
    Während ich mich abtrocknete, spürte ich seinen Blick.
    »Vielleicht wäre eine kleine Verspätung doch nicht so schlimm«, sagte er. »Komm her.«
    Ich ließ zu, daß Jake mit mir schlief und mir sagte, daß er mich liebe. Feucht und fügsam lag ich unter ihm und stöhnte vor geheuchelter Lust. Er merkte nicht, daß ich ihm nur etwas vorspielte. Es würde mein Geheimnis bleiben.

    Zum Mittagessen gab es Spinatauflauf mit Knoblauchbrot und grünem Salat. Jakes Mutter ist eine gute Köchin. Ich spießte ein Stück des krausen Salats auf meine Gabel, schob es mir in den Mund und kaute langsam darauf herum. Das Schlucken fiel mir schwer. Ich nahm einen Schluck Wasser und versuchte es noch einmal. Ich würde es nie schaffen, all das Essen auf meinem Teller hinunterzubekommen.
    »Geht es dir nicht gut, Alice?« Jakes Mutter sah mich besorgt an. Sie mag es nicht, wenn ich nicht aufesse, was sie gekocht hat. Normalerweise gebe ich mir Mühe und nehme sogar eine

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