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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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verschwommen und irreal vor. Alles bis auf mich und Adam. Mein ganzes Leben lang hatte ich einen freien Willen besessen, mein Leben fest im Griff gehabt und immer gewußt, wohin ich unterwegs war. Keine meiner Beziehungen hatte mich wirklich von meinen Zielen ablenken können. Jetzt aber fühlte ich mich, als wäre mir das Ruder entglitten – als würde ich ziellos umhertreiben.
    Ich hätte alles dafür gegeben, nur um seine Hände auf meinem Körper zu spüren. Manchmal, wenn ich in den frühen, noch dunklen Morgenstunden als erste aufwachte und das Gefühl hatte, im Bett eines Fremden zu liegen, weil Adam sich im Schlaf von mir abgewandt hatte und in die geheime Welt seiner Träume hinabgetaucht war, oder wenn ich nach der Arbeit das Büro verließ, empfand ich plötzlich eine große Angst, die erst nachließ, wenn ich wieder bei Adam war und seine nicht nachlassende Verzückung spürte. Ich hatte mich in einem anderen Menschen verloren.
    An diesem Morgen tat mir alles weh. Im Badspiegel sah ich, daß sich ein leuchtendroter Kratzer an meinem Hals herunterzog und meine Lippen geschwollen waren. Adam kam herein und stellte sich hinter mich. Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. Er leckte einen Finger ab und ließ ihn dann über den Kratzer gleiten. Nachdem ich mich fertig angezogen hatte, drehte ich mich zu ihm um.
    »Wen hat es vor mir gegeben, Adam? Hör auf, mit den Schultern zu zucken! Ich meine es ernst.«
    Er schwieg einen Moment, als würde er verschiedene Möglichkeiten abwägen.
    »Ich schlage dir einen Deal vor«, sagte er schließlich.
    Das klang schrecklich förmlich, aber wahrscheinlich mußte es so sein. Normalerweise erzählt man sich solche Dinge in der Nacht, wenn man miteinander geschlafen hat und in so zärtlicher Stimmung ist, daß man Einzelheiten über sein früheres Liebesleben verrät, kleine Informationsschnipsel, die man sich als Zeichen der Intimität und des Vertrauens gegenseitig zum Geschenk macht. Wir hatten nichts dergleichen getan. Adam half mir in die Jacke. »Wir gönnen uns irgendwo in der Nähe ein spätes Frühstück. Dann muß ich kurz weg, um ein paar Sachen abzuholen. Und dann«, fuhr er fort, während er die Tür öffnete, »treffen wir uns wieder hier oben, und du kannst mir erzählen, wen du gehabt hast, und ich werde dir von meinen Frauen erzählen.«
    »Von allen?«
    »Von allen.«

    »… und davor war ich mit Rob zusammen. Rob war Graphikdesigner, er hielt sich für einen Künstler. Er war um einiges älter als ich und hatte von seiner ersten Frau eine zehnjährige Tochter. Er war ein ziemlich stiller Typ, aber …«
    »Was habt ihr gemacht?«
    »Was?«
    »Was habt ihr zusammen gemacht?«
    »Du weißt schon, Filme, Pubs, Spaziergänge –«
    »Du weißt, was ich meine.«
    Natürlich wußte ich, was er meinte.
    »Mein Gott, Adam! Verschiedene Sachen. Es ist schon Jahre her. An Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern.« Was natürlich gelogen war.
    »Hast du ihn geliebt?«
    Ich dachte wehmütig an Robs liebes Gesicht, an die schöne Zeit, die wir miteinander verbracht hatten. Ich hatte ihn vergöttert. Zumindest eine Zeitlang.
    »Nein.«
    »Erzähl weiter.«
    Ich fühlte mich inzwischen ziemlich unwohl. Adam saß mir am Tisch gegenüber. Er hatte die Handflächen aneinandergelegt und fixierte mich mit seinem Blick. Über Sex zu reden fiel mir grundsätzlich schwer. Und dann auch noch in Form eines solchen Verhörs.
    »Dann war noch Laurence, aber das dauerte nicht lang«, murmelte ich. Laurence war ein richtiger Clown gewesen, ein hoffnungsloser Fall.
    »Und vor ihm?«
    »Joe, ein früherer Kollege von mir.«
    »Du hast mit ihm zusammengearbeitet?«
    »Sozusagen. Aber nein, Adam, wir haben es nicht hinter dem Fotokopierer getrieben.«
    Tapfer machte ich weiter. Ich hatte mir von diesem Gespräch etwas völlig anderes erwartet, eine Art wechselseitige erotische Beichte, die irgendwann im Bett enden würde. Nicht diese gefühllose, trockene Aufzählung von Männern, die für mich zugleich wichtig und unwichtig gewesen waren. »Damit wären wir bei meiner Schul- und Studienzeit angekommen. Na ja, du weißt schon …« Ich verstummte. Der Gedanke, die relativ wenigen Jugendfreunde aufzählen zu müssen, ging mir an die Nieren, ganz zu schweigen von den paar One-Night-Stands, auf die ich mich in beschwipstem Zustand eingelassen hatte. Ich holte tief Luft:

    »Also gut, wenn du unbedingt meinst. Michael. Dann Gareth. Und Simon, mit dem ich anderthalb Jahre zusammen

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