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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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die Hand.
    »Sylvie«, wiederholte er, als müßte er erst einmal überlegen, ob ihm der Name zusagte.
    »Ja«, antwortete sie. »Ich meine, hallo.«
    Plötzlich sah ich Adam und seine Freunde durch Sylvies Augen: große, starke Männer, die aussahen, als kämen sie von einem anderen Planeten, und die in ihrer seltsamen Kleidung sehr schön, fremdartig und bedrohlich wirkten.
    Sie starrte Adam wie hypnotisiert an, aber Adam wandte seine Aufmerksamkeit wieder mir zu.
    »Daniel und Klaus sind gerade aus Seattle zurückgekommen.« Er nahm meine Hand und preßte sie an sein Gesicht. »Wir gehen was trinken. Gleich hier um die Ecke. Möchten Sie mitkommen?« Die Frage war an Sylvie gerichtet, und er sah sie dabei scharf an. Sylvie zuckte ein wenig zusammen.
    »Nein«, antwortete sie, als wäre ihr gerade eine verführerische, aber sehr gefährliche Droge angeboten worden. »Nein, nein. Ich muß, ähm …«
    »Sie muß ein Buch kaufen«, erklärte ich.
    »Ja«, pflichtete sie mir zögernd bei. »Unter anderem. Ich muß wirklich gehen.«
    »Dann eben ein andermal«, sagte Adam, und wir verließen den Laden. Ich drehte mich um und winkte Sylvie zu, als stünde ich am Fenster eines Zuges, der gerade aus dem Bahnhof fuhr, während sie auf dem Bahnsteig zurückblieb. Ihr Gesichtsausdruck wirkte entgeistert, fast ein wenig ehrfürchtig. Im Gehen legte mir Adam die Hand auf den Rücken. Nachdem wir ein paarmal abgebogen waren, standen wir in einer winzigen Seitenstraße. Ich sah Adam fragend an, aber statt einer Antwort drückte er neben einer anonym wirkenden Tür auf einen Klingelknopf. Summend sprang die Tür auf, und wir gelangten über eine Treppe in einen gemütlichen Raum mit einer Bar, einem Kamin und ein paar locker verteilten Tischen und Stühlen.
    »Ist das ein Club?«
    »Ja, das ist ein Club«, antwortete Adam, als wäre das so offensichtlich, daß man es eigentlich gar nicht zu erwähnen brauchte.
    »Setzt euch in den Nebenraum. Ich hole uns allen ein Bier. Klaus kann euch in der Zwischenzeit von seinem bescheuerten Buch erzählen.«
    Ich trat mit Daniel und Klaus in einen kleineren Raum, in dem ebenfalls ein paar Tische und Stühle herumstanden. Wir ließen uns an einem der Tische nieder.
    »Was ist das für ein Buch?« fragte ich Klaus lächelnd.
    »Ihr …« Er hielt inne. »Adam ist sauer auf mich. Ich habe ein Buch über das geschrieben, was letztes Jahr auf dem Berg passiert ist.« Sein Akzent klang amerikanisch.
    »Waren Sie dabei?«
    Er hob die Hände. An der linken Hand fehlten der kleine Finger und die Hälfte des Ringfingers. An der rechten Hand war nur noch die Hälfte des kleinen Fingers vorhanden.
    »Ich habe Glück gehabt«, erklärte er. »Mehr als Glück.
    Adam hat mich runtergeschleppt. Er hat mir das Leben gerettet.« Er lächelte. »Ich kann Ihnen das nur sagen, weil er gerade nicht da ist. Wenn er zurückkommt, werde ich ihm wieder an den Kopf knallen, was für ein Arschloch er ist.«
    Adam kehrte zurück, stellte ein paar Flaschen auf den Tisch und verschwand wieder. Als er das zweitemal zurückkam, hatte er einen Teller voll Sandwiches dabei.
    »Seid ihr alle drei alte Freunde?« fragte ich.
    »Freunde und Kollegen«, antwortete Daniel.
    »Daniel ist für eine weitere Himalajatour angeheuert worden. Das Ganze soll nächstes Jahr stattfinden. Er will, daß ich mitkomme.«
    »Wirst du gehen?«
    »Ich glaube schon.« Ich muß ihn besorgt angesehen haben, denn Adam lachte. »Ist das für dich ein Problem?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Es ist dein Beruf«, antwortete ich. »Damit habe ich kein Problem. Solange du aufpaßt, wo du hintrittst.«
    Sein Gesicht wurde ernst, und er drückte sich an mich und küßte mich zärtlich.
    »Gut«, sagte er, als hätte ich einen Test bestanden.
    Ich nahm einen Schluck von dem Bier und lehnte mich dann zurück, um die Männer dabei zu beobachten, wie sie sich über Dinge unterhielten, von denen ich nichts verstand. Es ging um Ausrüstung und Logistik. Eigentlich lag es gar nicht so sehr daran, daß ich sie nicht verstand, sondern eher daran, daß ich ihrer Unterhaltung gar nicht bis ins Detail folgen wollte. Es bereitete mir großes Vergnügen, Adam, Daniel und Klaus dabei zuzusehen, wie sie sich über etwas unterhielten, das ihnen ungeheuer wichtig war. Mir gefielen die technischen Ausdrücke, die ich nicht kannte, und manchmal betrachtete ich verstohlen Adams Gesicht. Seine angespannten Züge erinnerten mich an etwas, und plötzlich fiel es mir ein. Genauso

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