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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Aber das tust du ja sowieso. Sieh zu, daß du ein Tempo findest, das du beibehalten kannst.
    Achte darauf, daß du gleichmäßig atmest. Schau nicht ständig, wie weit es noch ist, sondern richte den Blick vor dir auf den Boden. Setz einfach einen Fuß vor den anderen, bis es wie eine Art Meditation ist. Bist du bereit?«
    »Ja, Captain.«
    Hintereinander gingen wir den Weg entlang, der langsam an Steilheit zunahm, bis wir uns fast nur noch auf allen vieren fortbewegen konnten. Adam sah aus, als würde er trödeln, hängte mich aber trotzdem immer wieder ab. Ich unternahm gar nicht erst den Versuch, ihn einzuholen, sondern bemühte mich, seine Ratschläge zu befolgen. Links, rechts, links, rechts. Meine Nase lief, und meine Augen tränten. Meine schmerzenden Beine fühlten sich an wie Blei. Ich stellte mir so eine Art geistige Rechenaufgabe, indem ich versuchte, ein altes Lied über die chemischen Elemente vor mich hinzusingen, das ich mal bei einer Collegeaufführung zum besten gegeben hatte. »Antimon, Arsen, Aluminium, Selen …« Was kam als nächstes? Na ja, ich hatte sowieso nicht genug Luft zum Singen. Hin und wieder stolperte ich über kleine Felsbrocken oder blieb an dicken Wurzeln hängen. An eine Meditation kam ich nie so ganz heran, aber ich blieb im Rhythmus, und bald war von meinem Seitenstechen nur noch ein leichtes Ziehen übrig; meine Hände wurden warm, und die saubere Luft fühlte sich beim Einatmen eher frisch als rauh an.
    Als wir eine Anhöhe erreicht hatten, blieb Adam stehen und forderte mich auf, mich umzusehen.
    »Es ist, als wären wir ganz allein auf der Welt«, sagte ich.
    »Genau darum geht es.«
    Es begann schon zu dämmern, als wir ein kleines Stück unter uns die Hütte entdeckten.
    »Wem gehört sie?« fragte ich, während wir uns zwischen riesigen Felsblöcken und verkrüppelten Bäumen einen Weg nach unten bahnten.
    »Es ist eine Hütte speziell für Bergsteiger und Wanderer.
    Sie gehört dem britischen Alpenverein. Mitglieder können umsonst darin übernachten. Hier habe ich den Schlüssel.«
    Er klopfte auf die Seitentasche seiner Jacke.
    Die Hütte, in der es bitterkalt war, wies keinen sichtbaren Komfort auf. Während Adam eine große Gaslampe anzündete, die von einem der Dachbalken hing, wanderte mein Blick über die schmalen Holzpritschen, die offensichtlich als Betten dienten, den leeren Kamin und das kleine Waschbecken mit einem einzelnen Kaltwasserhahn.
    »Ist das alles?«
    »Ja.«
    »Wo ist die Toilette?«
    »Da.« Er deutete auf die verschneite Landschaft draußen vor der Tür.
    »Oh.« Ich ließ mich auf eines der harten Betten sinken.
    »Sehr gemütlich.«
    »Wart’s ab.«
    In der Ecke standen mehrere große Schachteln voller Holzscheite und trockener Zweige. Er zerrte eine davon zum Kamin und fing an, die Zweige in noch kleinere Stücke zu brechen, um sie anschließend über ein paar zusammengeknüllten Seiten Zeitungspapier zu einer ordentlichen kleinen Kugel anzuordnen. Darüber schichtete er ein paar größere Scheite. Er hielt ein Streichholz an das Papier, und die Flammen begannen an dem Holz zu lecken. Anfangs strahlte das Feuer keine Hitze ab, sondern war nur hell, aber bald war es vor dem Kamin so warm, daß ich schon mit dem Gedanken spielte, Jacke und Handschuhe auszuziehen. Die Hütte war klein und gut isoliert; in einer halben Stunde würde sie mollig warm sein.
    Adam band den kleinen Gaskocher von seinem Rucksack los, klappte ihn auseinander und zündete ihn an.
    Dann füllte er einen ramponierten Kupferkessel mit Wasser aus dem Hahn und stellte ihn auf den Kocher.
    Während das Wasser heiß wurde, entrollte er die beiden Schlafsäcke, zog die Reißverschlüsse auf, so daß sie wie Federbetten waren, und breitete sie vor dem Feuer aus.
    »Komm setz dich«, sagte er. Ich zog meine Jacke aus und gesellte mich zu ihm an den Kamin. Adam griff tief in seinen Rucksack. Zum Vorschein kamen eine Flasche Whisky, eine lange, in Papier gewickelte Salami und eines von diesen raffinierten Taschenmessern, die gleichzeitig als Schraubenzieher, Flaschenöffner und Kompaß dienen.
    Ich sah ihm dabei zu, wie er dicke Scheiben von der Wurst schnitt und auf das fettige Papier legte. Dann schraubte er die Whiskyflasche auf und reichte sie mir.
    »Zeit fürs Abendessen«, erklärte er.
    Ich nahm einen Schluck Whisky und aß ein paar Scheiben Salami. Inzwischen war es sieben Uhr. Von draußen drang kein Laut herein. Ich hatte noch nie in meinem Leben eine solch absolute

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