Höhenangst
angenehm.
Wir nahmen zusammen ein Bad und wuschen einander sorgfältig. Ich massierte Shampoo in sein Haar, und er tat dasselbe bei mir. Warmer Schaum trieb auf der Oberfläche des Wassers, und die feuchte Luft im Bad duftete.
Vorsichtig rasierte ich ihm das Gesicht. Er kämmte mein nasses Haar, wobei er es mit einer Hand festhielt, damit er mir nicht weh tat, wenn er kleine Knoten entfernte.
Wir trockneten uns gegenseitig ab. Der Badspiegel war beschlagen, aber Adam sagte, ich dürfe mich an diesem Morgen sowieso nur in seinen Augen spiegeln. Er ließ auch nicht zu, daß ich mich schminkte. Ich zog mein Kleid über meinen nackten Körper und schlüpfte in meine Schuhe. Adam zog eine Jeans und ein langärmeliges schwarzes T-Shirt an.
»Bereit?« fragte er.
»Bereit«, antwortete ich.
»Jetzt bist du meine Frau.«
»Ja.«
»Ist das gut? Beweg dich nicht.«
»Ja.«
»Und das?«
»Nein – ja. Ja.«
»Liebst du mich?«
»Ja.«
»Immer?«
»Immer.«
»Sag mir, wenn ich aufhören soll.«
»Ja. Liebst du mich?«
»Ja. Immer.«
»Mein Gott, Adam, ich würde für dich sterben.«
16. KAPITEL
»Wie weit denn noch?« Ich versuchte, mit ruhiger Stimme zu sprechen, aber was dabei herauskam, war ein atemloses Keuchen, das noch dazu von einem Stechen in der Brust begleitet wurde.
»Nur noch knapp dreizehn Kilometer«, antwortete Adam und drehte sich zu mir um. »Wenn du einen Zahn zulegen könntest, müßten wir es eigentlich schaffen, bevor es dunkel wird.«
Einen Moment lag blickte er leidenschaftslos auf mich herab, dann nahm er seinen Rucksack ab, in dem er neben seinen Sachen auch meine trug, und zog eine Thermoskanne heraus.
»Trink eine Tasse Tee und iß ein bißchen Schokolade«, sagte er.
»Danke. Das sind wirklich tolle Flitterwochen, Liebling.
Wenn es nach mir gegangen wäre, würden wir uns jetzt in einem Himmelbett räkeln und Champagner trinken.« Ich legte meine Handschuhe um die Plastiktasse. »Haben wir das steilste Stück schon hinter uns?«
»Liebes, bis jetzt war es doch nur ein Spaziergang. Wir gehen da hinauf.«
Ich verdrehte den Hals in die Richtung, in die er wies.
Ein beißend kalter Wind peitschte mir ins Gesicht. Mein Kinn fühlte sich schon ganz taub an.
»Nein«, antwortete ich. »Du vielleicht. Ich nicht.«
»Bist du müde?«
»Müde? Nein, kein bißchen, ich fühle mich so richtig fit.
Ich gehe schließlich jeden Tag bis zur U-Bahn. Aber ich habe von meinen neuen Schuhen Blasen an den Fußsohlen, und meine Waden brennen. Außerdem habe ich Seitenstechen, als würde mir bei jedem Schritt jemand ein Messer in die Seite rammen. Meine Nase ist eiskalt.
Meine Finger spüre ich schon gar nicht mehr. Und ich habe eine verfluchte Höhenangst. Ich gehe keinen Schritt mehr weiter!« Mit diesen Worten ließ ich mich auf die dünne Schneedecke sinken und schob mir zwei Stückchen kalte, harte Schokolade in den Mund.
»Du willst hier sitzen bleiben?« Adam blickte sich um.
Wir waren von einer einsamen Moorlandschaft umgeben, die von zerklüfteten Bergen begrenzt wurde. Im Sommer verirrten sich bestimmt ein paar Wanderer hierher – aber nicht an diesem Samstag Ende Februar, an dem das mit Eis überzogene Gras in stacheligen Büscheln hochstand, die wenigen kahlen Bäume im Wind ächzten und unser Atem weiß in die graue Luft stieg.
»Also gut, ich bleibe nicht hier sitzen. Ich habe bloß einen kleinen hysterischen Anfall.«
Er setzte sich neben mich und fing an zu lachen. Ich glaube, es war das erstemal, daß ich ihn so richtig lachen hörte. »Ich habe eine Memme geheiratet«, sagte er, als wäre es das Lustigste auf der Welt. »Ich verbringe mein Leben damit, auf Berge zu klettern, und ich habe eine Frau geheiratet, die nicht einmal eine sanfte Steigung bewältigen kann, ohne Seitenstechen zu bekommen.«
»Ja, und ich habe einen Mann geheiratet, der mich in die Wildnis schleppt und mich dann auch noch auslacht, wenn ich in Schwierigkeiten stecke und vor Scham am liebsten im Erdboden versinken möchte.« Ich warf ihm einen finsteren Blick zu.
Adam stand auf und zog mich hoch. Als erstes sorgte er dafür, daß zwischen meinen Handschuhen und den Ärmeln meiner Jacke kein nacktes Stück Haut mehr zu sehen war. Dann zog er einen Schal aus dem Rucksack und wickelte ihn mir um den Hals. Zuletzt band er meine Schuhbänder fest, so daß meine Stiefel nicht mehr so locker an meinen Füßen hingen.
»So«, sagte er, »und jetzt versuche, einen Rhythmus zu finden. Laß dir Zeit.
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