Höhenangst
voller Lebensmittel nach Hause und verkündete, daß er zur Abwechslung mal kochen wolle. Er hatte Schwertfisch gekauft, zwei frische rote Peperoni, eine knorrige Ingwerwurzel, einen Bund Koriander, Basmatireis in einer braunen Papiertüte, eine Flasche purpurfarbenen Wein. Er zündete sämtliche Kerzen an und schaltete die Lichter aus, so daß die traurige kleine Küche plötzlich wie eine Hexenhöhle aussah.
Ich las die Zeitung und beobachtete nebenbei, wie er sorgfältig den Koriander wusch, indem er jedes Blatt einzeln abspülte. Dann legte er die Peperoni auf einen Teller und schnitt sie auf. Als er meinen Blick spürte, legte er das Messer weg und küßte mich, ohne mit den Händen mein Gesicht zu berühren.
»Ich möchte nicht, daß von den Peperoni deine Haut brennt«, sagte er.
Nachdem er den Fisch in eine Marinade eingelegt hatte, wusch er den Reis und ließ ihn in einer Pfanne voll Wasser stehen. Dann säuberte er sich gründlich die Hände, öffnete die Weinflasche, griff nach zwei Gläsern und schenkte sie halb voll.
»Es dauert noch etwa eine Stunde«, verkündete er, während er aus seinen Hosentaschen zwei dünne Lederfesseln zog. »Ich freue mich schon den ganzen Tag darauf, dich damit zu fesseln.«
»Was, wenn ich nein sage?« platzte ich heraus. Plötzlich fühlte sich mein Mund so trocken an, daß ich kaum noch schlucken konnte.
Adam nahm einen kleinen Schluck Wein. Dabei betrachtete er mich nachdenklich.
»Was meinst du mit nein? Welche Art von nein?«
»Ich muß dir etwas zeigen«, sagte ich, nahm meine Handtasche und holte die Fotokopien des Briefes und des Artikels heraus. Ich reichte sie Adam, der sein Glas auf dem Tisch abstellte und beides in aller Ruhe durchlas.
Dann sah er mich an.
»Und?«
»Ich … die Journalistin hat sie mir gegeben und …« Ich hielt inne.
»Was willst du wissen, Alice?« Ich gab ihm keine Antwort.
»Willst du wissen, ob ich sie vergewaltigt habe?«
»Nein, natürlich nicht. Ich habe ja gelesen, was der Richter gesagt hat und … ach Mist, wir sind schließlich verheiratet. Wie konntest du mir so etwas verschweigen?
Das muß doch eine wichtige Sache in deinem Leben gewesen sein. Ja, ich möchte wissen, was passiert ist.
Natürlich möchte ich das wissen. Was zum Teufel hast du erwartet?« Zu meiner eigenen Überraschung schlug ich so heftig mit der Faust auf den Tisch, daß die Gläser hochsprangen.
Einen Moment lang wirkte er traurig, aber nicht wütend, wie ich befürchtet hatte.
»Ich erwarte, daß du mir vertraust«, sagte er mit ruhiger Stimme, fast zu sich selbst. »Und daß du auf meiner Seite stehst.«
»Das tue ich doch. Natürlich tue ich das. Aber …«
»Aber du willst wissen, was passiert ist?«
»Ja.«
»Ganz genau?«
Ich holte tief Luft und sagte dann mit fester Stimme: »Ja, ganz genau.«
»Wie du willst.« Nachdem er sich etwas Wein nachgeschenkt hatte, ließ er sich in einen Sessel sinken und sah mich an. »Ich war bei einem Freund in Gloucestershire zu einer Party eingeladen. Das ist jetzt acht Jahre her, schätze ich. Ich war kurz zuvor aus Amerika zurückgekommen, wo ich mit einem anderen Freund in den Yosemites geklettert war. Wir waren ziemlich gut drauf – entschlossen, uns zu amüsieren. Auf der Party befanden sich ziemlich viele Leute, von denen ich bis auf den Gastgeber aber kaum jemanden kannte. Es wurde viel getrunken. Auch Drogen waren im Umlauf.
Die Leute tanzten und küßten sich.
Es war Sommer, und draußen war es heiß. Mehrere Pärchen hatten sich in die Büsche verzogen. Irgendwann kam dann dieses Mädchen auf mich zu und zerrte mich auf die Tanzfläche. Sie war schon ziemlich betrunken und versuchte, mich während des Tanzens auszuziehen. Ich ging mit ihr nach draußen. Wir waren gerade mal ein paar Schritte über den Rasen spaziert, als sie schon anfing, ihr Kleid zu öffnen. Wir zogen uns hinter einen großen Baum zurück. Ich hörte, daß ein paar Meter weiter ein anderes Paar zugange war. Das Mädchen erzählte mir ständig etwas von ihrem Freund. Daß sie sich ganz fürchterlich gestritten hätten und daß sie jetzt von mir gevögelt werden wolle. Daß ich Dinge mit ihr anstellen solle, die ihr Freund nie getan hatte. Also tat ich genau das. Hinterher behauptete sie dann, ich hätte sie vergewaltigt.«
Wir schwiegen beide.
»Wollte sie, daß du es tust?« fragte ich leise. »Oder hat sie dich gebeten, es nicht zu tun?«
»Tja, Alice, das ist eine interessante Frage. Sag mir eins, hast du schon
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