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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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mal nein zu mir gesagt?«
    »Ja. Aber …«
    »Und habe ich dich je vergewaltigt?«
    »So einfach ist das nicht.«
    »Sex ist nicht einfach. Gefällt dir, was ich mit dir mache?«
    »Ja.« Mir standen Schweißperlen auf der Stirn.
    »Als ich dich gefesselt habe, hast du mich gebeten aufzuhören, aber hat es dir nicht trotzdem gefallen?«
    »Doch, aber … Das ist schrecklich, Adam.«
    »Du wolltest es ja so. Als ich …«
    »Es reicht, Adam. So einfach ist das nicht. Die Frage ist, was sie wirklich wollte. Sie und du. Wollte sie, daß du aufhörst?«
    Adam nahm einen Schluck von seinem Wein. Er ließ sich mit seiner Antwort ziemlich viel Zeit.
    »Hinterher. Als es vorbei war, wäre es ihr lieber gewesen, ich hätte aufgehört. Es wäre ihr lieber gewesen, das Ganze wäre nicht passiert. Sie wollte ihren Freund zurückhaben. In einer solchen Situation wünschen wir uns manchmal, wir hätten bestimmte Dinge nicht getan.«
    »Laß uns ganz präzise sein. Du hast zu keinem Zeitpunkt das Gefühl gehabt, daß sie nicht wollte oder sich widersetzte?«
    »Nein.«
    Wir starrten uns an.
    »Obwohl –«, fuhr er fort und sah mich dabei unverwandt an, als wollte er mich auf die Probe stellen, »– das bei euch Frauen manchmal schwer zu sagen ist.«
    Auf solche Aussagen reagierte ich allergisch. »Sprich nicht über Frauen im allgemeinen, als ob wir irgendwelche Objekte wären.«
    »Aber dieses Mädchen war für mich bloß ein Objekt.
    Genau wie ich für sie. Ich lernte sie auf einer Party kennen, und wir waren beide betrunken. Ich glaube nicht, daß ich damals ihren Namen kannte oder sie meinen. Es war genau das, was wir wollten. Wir wollten beide Sex.
    Was ist daran falsch?«
    »Ich bin nicht …«
    »Ist dir das noch nie passiert? Doch, du hast mir selbst davon erzählt. Und war das zu dem betreffenden Zeitpunkt nicht ein Teil des Kicks?«
    »Vielleicht«, räumte ich ein. »Aber später auch ein Teil der Scham.«
    »Bei mir nicht.« Er starrte mich an, und ich spürte seine Wut.
    »Ich halte nichts davon, mir über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die ich nicht ändern kann.«
    Ich bemühte mich, mit ruhiger Stimme zu sprechen. Ich wollte nicht weinen.
    »Erinnerst du dich an die Nacht in der Hütte? Gleich nach unserer Hochzeit? Ich wollte es, Adam. Ich wollte dich alles tun lassen, was du tun wolltest. Aber als ich am nächsten Morgen aufwachte, fand ich es nicht mehr so gut.
    Ich hatte das Gefühl, daß wir zu weit gegangen waren.
    Daß wir Grenzen überschritten hatten, die wir nicht hätten überschreiten sollen.«
    Adam schenkte uns noch etwas Wein nach. Ohne daß es mir aufgefallen war, hatten wir fast die ganze Flasche geleert.
    »Hattest du noch nie dieses Gefühl?« fragte ich.
    Er nickte.
    »Doch.«
    »Nach dem Sex?«
    »Nicht unbedingt. Aber ich weiß, was du meinst.« Er zog eine Grimasse. »Ich kenne das Gefühl.«
    Wir tranken unseren Wein. Die Kerzen flackerten.
    »Ich glaube, der Schwertfisch liegt jetzt lange genug in der Marinade«, sagte ich.
    »Ich würde nie eine Frau vergewaltigen.«
    »Nein«, antwortete ich. Aber insgeheim dachte ich: Würdest du es überhaupt merken?
    »Soll ich jetzt den Fisch braten?«
    »Noch nicht.«
    Ich zögerte. Es war, als hinge mein Leben an einem Scharnier. Ich konnte es in die eine oder die andere Richtung schieben, entweder die eine oder die andere Tür schließen. Ich konnte ihm vertrauen und dabei verrückt werden. Oder ihm nicht vertrauen und ebenfalls verrückt werden. Von meinem Standpunkt aus schien es letztendlich keinen großen Unterschied zu machen.
    Draußen war es schon ziemlich dunkel, und ich konnte das stete Prasseln des Regens hören. Die Kerzen tropften und warfen flackernde Schatten an die Wände. Ich stand auf und ging zu der Stelle hinüber, wo er die Lederfesseln fallen gelassen hatte.
    »Dann komm, Adam.«
    Er rührte sich nicht von der Stelle.
    »Sagst du ja oder nein?« fragte er mich.
    »Ich sage ja.«
    Aber ich sagte nicht ja, zumindest nicht ganz. Am nächsten Tag rief ich von der Arbeit aus Lily an und verabredete mich für den Abend mit ihr, gleich nach Büroschluß. Ich wollte sie nicht noch einmal in ihrer heruntergekommenen Souterrainwohnung besuchen. Ich hätte es nicht ertragen, umgeben von Adams alten Fotos auf ihrem fleckigen Laken zu sitzen. Deshalb schlug ich ein Café in einem Kaufhaus in der Oxford Street vor – das war der neutralste Treffpunkt, der mir einfiel. Außerdem brauchte ich neue Unterwäsche.
    Lily war schon da. Sie hatte

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