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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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jemand abnehmen würde. Sie glaubte, daß ich auf ihrer Seite war
    – als Journalistin, aber auch als eine Art Therapeutin.
    »Ich ging zu ihm hin und forderte ihn zum Tanzen auf.
    Wir tanzten eine Weile und fingen dann an, uns zu küssen.
    Mein Freund war noch immer nicht zurückgekommen.
    Das hat er nun davon, dachte ich. Ich würde es ihm schon zeigen. Außerdem fand ich den Typen wirklich toll.« Sie blickte auf, um zu sehen, ob ich über dieses Geständnis schockiert war. Solche Äußerungen mußten sie ihr auch bei dem Kreuzverhör entlockt haben. »Es stimmt also, daß die Initiative von mir ausgegangen ist. Ich küßte ihn und schob die Hände unter sein Hemd. Wir gingen zusammen nach draußen, wo schon mehrere andere Paare schmusend herumstanden oder sonstwie zugange waren. Er zog mich zu den Büschen hinüber. Er hatte ziemlich viel Kraft. Na ja, schließlich klettert er auf Berge, oder? Noch während wir über den Rasen gingen, wo uns all diese Leute sehen konnten, fing er an, mir am Rücken das Kleid aufzumachen.« Sie rang hörbar nach Luft, es klang fast wie ein Schluchzen. »Ich weiß, es hört sich dumm und naiv an, aber ich wollte wirklich nicht –« Seufzend hielt sie inne. »Ich wollte bloß ein bißchen Spaß haben«, sagte sie stockend. Sie strich sich mit beiden Händen das Haar nach hinten. Dabei wirkte sie sehr jung. Kaum zu glauben, daß sie vor acht Jahren schon achtzehn gewesen war.
    »Wie ist es dann passiert, Michelle?«
    »Wir haben uns hinter einen Baum zurückgezogen und uns geküßt; da war noch alles in Ordnung.« Sie sprach jetzt so leise, daß ich mich vorbeugen mußte, um sie zu verstehen. »Dann schob er die Hand zwischen meine Beine, und am Anfang ließ ich ihn. Dann sagte ich, daß ich das nicht möchte, daß ich zurück ins Haus wolle.
    Plötzlich hatte ich kein gutes Gefühl mehr dabei.
    Bestimmt würde mein Freund gleich zurückkommen. Der Typ war so groß und stark. Wenn ich die Augen aufschlug, sah ich, wie er mich anstarrte, und wenn ich sie wieder zumachte, war mir so schrecklich schlecht, und die ganze Welt drehte sich. Ich war ziemlich betrunken.«
    Während Michelle mir die Szene beschrieb, versuchte ich, mich auf die Worte zu konzentrieren und sie mir nicht bildlich vorzustellen. Jedesmal, wenn ich hochblickte, um ihr aufmunternd zuzunicken oder eine zustimmende Bemerkung von mir zu geben, bemühte ich mich, sie nicht direkt anzusehen, sondern den Blick auf irgendeinen Punkt im Raum zu richten, so daß ihr Gesicht vor meinen Augen zu einer hellen Fläche verschwamm. Sie erzählte mir, daß sie versucht habe, sich ihm zu entziehen. Adam aber habe ihr das Kleid ausgezogen, es in die dunklen Büsche geworfen und sie erneut geküßt. Diesmal habe es ein bißchen weh getan, und seine Hand zwischen ihren Beinen habe ihr ebenfalls weh getan. Sie habe es mit der Angst zu tun bekommen und zu schreien versucht, aber er habe ihr mit der Hand den Mund zugehalten. Sie habe versucht,
    »bitte« zu sagen, aber seine Finger hätten jeden Laut erstickt. »Ich dachte, daß er vielleicht aufhören würde, wenn ich ihn darum bitten würde«, sagte sie. Inzwischen war sie den Tränen nahe. Ich zeichnete ein großes Quadrat auf meinen Notizblock, in das ich ein kleineres einfügte.
    In das kleinere Quadrat schrieb ich das Wort »Bitte«.
    »Ein Teil von mir konnte nach wie vor nicht fassen, daß mir das tatsächlich passierte. Ich bildete mir noch immer ein, daß er irgendwann aufhören würde. So läuft doch keine Vergewaltigung ab, dachte ich. Man stellt sich darunter immer vor, daß ein maskierter Mann aus einer dunklen Seitenstraße springt, irgend etwas in der Art. Er drückte mich fest auf den Boden. Ich spürte jedes Steinchen. Unter meiner Wade war eine Brennessel. Er hielt mir noch immer den Mund zu. Einmal zog er die Hand weg, um mich zu küssen, aber es fühlte sich nicht mehr wie ein Kuß an, eher wie eine Art Knebel. Dann preßte er mir wieder die Hand auf den Mund. Ich hatte ständig das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen. Er schob die andere Hand wieder zwischen meine Beine und versuchte, mich dazu zu bringen, ihn zu begehren. Dabei gab er sich wirklich große Mühe.« Michelles Blick ging durch mich hindurch. »Obwohl ich es nicht wollte, empfand ich dabei tatsächlich ein wenig Lust, aber das machte es nur noch schlimmer. Verstehen Sie?« Ich nickte.
    »Wenn man sich wünscht, vergewaltigt zu werden, dann ist es keine Vergewaltigung mehr, oder? Oder ?«
    »Ich

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