Höhenangst
anderem.«
Joanna sah mich skeptisch an.
»Wirklich?«
»Natürlich.«
Sie zündete sich eine weitere Zigarette an.
»Ist Michelles Version wirklich soviel anders als das, was in der Zeitung stand? Ausgehend von dem, was Sie mir erzählt haben, würde ich Adam noch immer freisprechen. Es wundert mich sehr, daß die Sache überhaupt vor Gericht gekommen ist.«
»Die juristischen Details sind mir völlig egal, Joanna.
Mich interessiert nur, was wirklich passiert ist. Was vielleicht passiert ist.«
»Meine Güte, Alice, wir sind doch erwachsene Menschen.«
Sie schenkte sich eine weitere Tasse Kaffee ein.
»Glauben Sie mir, ich betrachte mich nicht als besonders promisk. Aber das sagt wahrscheinlich jeder von sich.
Trotzdem habe ich schon mit Männern geschlafen, nur um sie wieder loszuwerden oder weil sie immer wieder davon anfingen. Ich habe in betrunkenem Zustand mit Männern geschlafen, die ich nüchtern nicht in mein Bett gelassen hätte. Ich habe es getan, ohne es wirklich zu wollen, und am nächsten Morgen habe ich es bereut, manchmal auch schon nach zehn Minuten. Ein- oder zweimal habe ich mich so erniedrigt, daß ich mich hinterher am liebsten übergeben hätte. Ist Ihnen das noch nie passiert?«
»Hin und wieder.«
»Ich will damit nur sagen, daß sich die meisten von uns schon mal in diese Grauzone vorgewagt und mit etwas herumgespielt haben, das sie gar nicht wirklich wollten.
Natürlich ist es schwer zu sagen, wo die Grenze liegt, aber in diesem Fall war es zumindest nicht so, daß er mit einer Maske und einem Messer bei ihr eingebrochen ist.«
»Tut mir leid, Joanna, aber das ist mir zu einfach.«
»Natürlich ist es zu einfach, das ist ja genau der Punkt.
Wie wär’s, wenn Sie mir ein bißchen was über Adam und sich erzählen? Wie haben Sie ihn kennengelernt?«
»Na ja, es war nicht gerade wie in einem Jane-Austen-Roman.«
»Das kann ich mir vorstellen. Als ich Adam kennengelernt habe, war er ziemlich unfreundlich zu mir, gereizt und schwierig. Ich nehme an, seine Haltung mir gegenüber war eine Mischung aus Desinteresse, Mißtrauen und Verachtung, und das hat mich ziemlich angemacht. Der Mann ist wirklich sexy.« Sie schien auf eine Reaktion zu warten, aber ich schwieg.
»Empfinden Sie das nicht so?«
»Er ist mein Mann«, antwortete ich steif.
»Lieber Himmel, Alice, spielen Sie nicht Pollyanna mit mir. Der Mann ist ein Epos. Er hat fast allen, die an dieser Expedition teilnahmen, das Leben gerettet. Klaus hat mir von Adams Leben erzählt. Mit Sechzehn verließ er Eton und machte sich auf den Weg zu den Alpen. Dort bummelte er ein paar Jahre lang herum, bis er schließlich ins Himalajagebiet aufbrach, um dort erneut ein paar Jahre herumzuwandern und zu klettern. Wie konnten Sie es wagen, diesen Mann vor mir kennenzulernen?«
»Das ist mir alles bekannt, Joanna. Es ist ein ziemlicher Schock, seine andere Seite kennenzulernen.«
»Welche andere Seite?«
»Er kann auch sehr gewalttätig und gefährlich sein.«
»Hat er Ihnen gegenüber auch schon Gewalt angewendet?«
»Na ja … Sie wissen schon«, antwortete ich achselzuckend.
»Oh, Sie meinen auf eine nette Weise.«
»Ich weiß nicht, ob nett das richtige Wort ist.«
»Mm«, sagte Joanna. »Ich glaube, Sie haben ein Problem, Alice.«
»So, glauben Sie?«
»Sie haben sich in einen Helden verliebt, einen außergewöhnlichen Mann, der anders ist als alle anderen Männer, von denen ich je gehört habe. Er ist seltsam und unberechenbar, und wahrscheinlich wünschen Sie sich manchmal, er wäre ein Anwalt, der um halb sieben zum Abendessen nach Hause kommt, um anschließend mit Ihnen zu kuscheln und es Ihnen einmal pro Woche in der Missionarsstellung zu besorgen. Wie war denn Ihre letzte Beziehung?«
»Ich habe den Mann wegen Adam verlassen.«
»Wie war er?«
»Sehr nett. Aber nicht wie der Anwalt, von dem Sie eben gesprochen haben. Er war witzig und rücksichtsvoll. Wir hatten viele gemeinsame Interessen und waren richtig gute Freunde. Wir haben eine schöne Zeit miteinander verbracht. Im Bett hat es auch gestimmt.«
Joanna lehnte sich vor und sah mich prüfend an.
»Fehlt er Ihnen?«
»Mit Adam ist es so völlig anders. Wir unternehmen kaum etwas. Zumindest nicht so, wie ich es mit meinen früheren Freunden getan habe. Wenn wir zusammen sind, ist es nie so locker und unbeschwert, wie es mit Jake war.
Es ist alles so … so intensiv und auf gewisse Weise anstrengend. Und im Bett – sicher, es ist großartig mit ihm,
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