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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Gore-Tex-Schlafsack. Neben einer Schachtel voller langer, dünner Nägel stand eine Kiste mit Steigeisen. Eine weitere Kiste enthielt ein Sortiment von Klammern, Schrauben und Schraubzwingen. Auf einem schmalen Regalfach entdeckte ich in Zellophan verpacktes Verbandszeug, auf einem breiteren einen Butangaskocher, ein paar Kanister Gas, einige Zinntassen und mehrere Wasserflaschen. Auf einer Seite des Raums standen zwei Paar altgediente Bergstiefel.
    »Was ist da drin?« fragte ich und stupste mit meinem Fuß gegen einen weichen Nylonsack.
    »Handschuhe, Socken, Thermounterwäsche, lauter solche Sachen.«
    »Du reist nicht gerade mit leichtem Gepäck.«
    »Ich nehme dieses Zeug nicht zum Spaß mit«, antwortete er, während er den Blick über die Gegenstände schweifen ließ.
    »Was müssen wir alles mitnehmen?«
    »Das hier zum Beispiel.« Er zog eine große Tasche heraus.
    »Das ist so eine Art Zelt, das man an einer Felswand befestigen kann. Ich habe einmal vier Tage in diesem Ding verbracht, während um mich herum ein schrecklicher Sturm wütete.«
    »Das klingt ja fürchterlich«, sagte ich schaudernd.
    »Es war richtig gemütlich.«
    »Wozu brauchst du es jetzt?«
    »Es ist nicht für mich. Es ist für Stanley.«
    Er wühlte in einer Tupperwaredose voller Salbentuben herum, zog ein paar davon heraus und stopfte sie in seine Manteltasche. Als nächstes nahm er einen der Eispickel vom Dachbalken und legte ihn neben das Zelt. Dann kauerte er sich auf den Boden und fing an, kleine Kartons und Schachteln herauszuziehen und ihre beschrifteten Aufkleber zu studieren. Seine Aufgabe nahm ihn so in Anspruch, daß er mich gar nicht mehr wahrzunehmen schien.

    »Ich drehe mal eine Runde«, erklärte ich schließlich. Er blickte nicht einmal auf.
    Draußen war es so warm, daß ich meinen Mantel auszog.
    Ich spazierte zum Gemüsegarten hinüber, wo ein paar ausgewachsene und schon halbverfaulte Kohlpflanzen im Wind schwankten und Unkraut an den Stangen hochkletterte, die eigentlich für Bohnen gedacht waren.
    Jemand hatte den mit dem Gartenschlauch verbundenen Wasserhahn nicht zugedreht, so daß in der Mitte des Gartens eine große Schlammpfütze entstanden war.
    Nachdem ich das Wasser abgestellt hatte, hielt ich nach Adams Vater Ausschau, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Schließlich marschierte ich entschlossen auf das baufällige Gebäude zu, in dem ich die Porzellanteekanne und den Drachen gesehen hatte. Ich wollte einen Blick in die alten Kartons werfen, die Dinge in die Hand nehmen, die Adam als Kind gehört hatten, und mir Fotos von ihm und seiner geliebten Mutter ansehen.
    Im Türschloß steckte ein großer Schlüssel, der sich leicht drehen ließ. Die Tür ging nach innen auf. Ich zog sie leise hinter mir zu. Es war erst kürzlich jemand hiergewesen, denn während auf einem Teil der Schachteln und Koffer eine dicke Staubschicht lag, waren andere relativ sauber.
    In einer Ecke entdeckte ich das Skelett eines Vogels. Die Luft im Raum war stickig und abgestanden.
    Aber ich hatte recht gehabt. In dem Raum waren die alten Familiensachen gelagert. Die Teekanne gehörte zu einem Porzellanservice. Einige der Tassen wiesen feine bräunliche Ränder auf, Spuren des Getränks, das vor langer Zeit daraus getrunken worden war. Eine andere Kiste enthielt Gummistiefel, darunter auch ein Paar in Kindergröße. Sie mußten Adam gehört haben, als er ein Junge war. Auf dem Deckel des größten Koffers fand ich die Initialen VT. Wie hatte seine Mutter eigentlich geheißen? Ich war nicht sicher, ob er mir das je gesagt hatte. Verstohlen öffnete ich den Koffer. Dabei versuchte ich mir einzureden, daß ich nichts Schlimmes tat, sondern bloß ein bißchen herumstöberte, vermutete aber, daß Adam das etwas anders sehen würde. Der Koffer war voller Kleider, die stark nach Mottenkugeln rochen. Ich inspizierte ein marineblaues Tupfenkleid, einen gehäkelten Schal, eine lavendelfarbene Jacke mit Perlmuttknöpfen.
    Schöne, aber praktische Sachen. Ich klappte den Deckel wieder zu und öffnete statt dessen den ramponierten weißen Koffer daneben. Er enthielt lauter Babykleidung.
    Adams Sachen. Kleine Pullover mit Boot- und Ballonmustern, gestreifte Latzhosen, Wollmützen, einen Strampelanzug mit Kapuze, winzige Leggings. Ich hätte vor Rührung am liebsten geweint. In dem Koffer fand ich sogar Adams Taufkleid, das mit den Jahren vergilbt war.
    Die Kommode neben dem Koffer, an deren Schubladen mehrere Knöpfe fehlten und die an einer Seite

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