Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo
modischen Mountain-Look zeigt? Ich bekomme Gesprächsfetzen mit, über die Bergtouren, die die meisten schon hinter sich haben; ganz selten höre ich auch ein wenig Selbstzweifel heraus, ob das gesetzte Ziel - noch einmal im Leben eine solche Herausforderung anzunehmen - wirklich mit der Realität, der Größe des Bergs, der eigenen Willensstärke, der dünnen Luft und der Atemnot zusammenpassen wird.
Wie es mir in den fünf Tagen am Berg ergehen wird? Was das betrifft, bin ich dem berufsmäßigen Optimismus eines Hubert Schwarz gegenüber etwas misstrauisch. So lege ich für mich
selbst als Ziel fest, dass jedes Stückchen, das ich über die 3000-Meter-Marke hinauf nach oben schaffe, ein Gewinn, ein Geschenk für mich sein wird. Das will ich als Ziel durchhalten und mich durch kein freundlich-optimistisches Wort meines Hubert-Schwarz-Führers davon abbringen lassen.
Nach zwei, drei Tagen ertappe ich mich dabei, dass ich immer häufiger auch anderen in der Gruppe erzähle: 3000 Meter hoch - das wäre schon etwas, egal was danach kommen mag. Keine Macht der ARD und kein eigener Ehrgeiz sollte so stark werden, dass er mich von meinem Ziel abhalten würde, selbst zu bestimmen, wann Schluss ist.
Soll und Haben auf der vorletzten Etappe
Dass Hubert auch anders kann, erleben wir später auf der stundenlangen vorletzten Etappe über den Sattel zur 4700 Meter hoch gelegenen Kibo-Hütte. Das Wetter zeigt sich in allen Varianten: Sonne, stechende Hitze in der Mondlandschaft, dann plötzlich Schneeschauer und Böen, die es zusätzlich erschweren, genug Luft zu bekommen. Die Gruppe reißt mehr und mehr auseinander, der Abstand zwischen den Einzelnen vergrößert sich von Minuten auf über eine Stunde; keiner will mehr auf den anderen warten, jeder hat genug mit sich zu tun.
Und dann ist es soweit: Hubert Schwarz wird ungeduldig, die zu Langsamen bringen den Zeitplan ins Rutschen, wo doch am späten Nachmittag alle noch etwas Ruhe haben sollen, bevor man um Mitternacht zur letzten Etappe aufbricht.
Der sonst auf Ausgleich bedachte Hubert vergisst das Streicheln, das liebevolle Antreiben - er wird sehr drängend: »Wir sind spät dran, macht jetzt mal voran...« Jeder, der ihn so hört, spürt den Stimmungsumschwung, spürt, dass es jetzt nicht nur ernst wird, sondern dass er vielleicht selbst dafür verantwortlich ist, dass die Zeit nicht mehr reicht, dass der Gruppe die Zeit zu knapp wird.
Stress! Soweit unsere Atemluft reicht, reden wir nur noch in Wortfetzen miteinander... An uns liegt’s doch nicht, dass die Zeit knapp wird, wir haben wenig Pausen gemacht, wen meint er also, wenn er - der Hubert - so drohend davon redet, dass die Zeit knapp wird? Zu mehr als zu einer dumpfen Feststellung reicht es nicht, ich bin doch nicht schuld daran, und die, die sich ein paar Meter vor oder hinter mir zur Kibo-Hütte hinaufschleppen, die doch auch nicht. Ratlosigkeit - vielleicht sind wir, genau wir, diejenigen, die Hubert meint, wir - das Risiko für den letzten Aufstieg?
Nein - als einen bequemen, freundlichen Reiseleiter erlebe ich Hubert Schwarz in dieser Stunde nicht. Eher schon als einen sorgfältigen Rechner, der für die Kili-Teilnehmer eine Soll- und Haben-Bilanz aufstellt: Wie viele Teilnehmer habe ich in meiner Gruppe, die alle am Ende ihrer Tour auf dem Gipfel stehen wollen? Wie viele scheiden unterwegs aus, weil sie sich eine Erkältung holen, höhenkrank werden... oder einfach keine Kraft mehr haben? Und wie sieht am Ende die Erfolgsbilanz für Hubert aus, den Veranstalter: Werden es 95 Prozent, 85 Prozent oder vielleicht nur 70 Prozent der Teilnehmer geschafft haben? Das stellt für das »Wirtschaftsunternehmen Hubert Schwarz«
als Veranstalter wohl eine nicht ganz unwichtige Aussage dar. Auch aus diesem Grund wird der Tourleiter auf dem Weg zur 4700 Meter hohen Kibo-Hütte mal kratzbürstig, mal fordernd und mal richtig unzufrieden mit dem, was der eine oder andere auf dem Weg nach oben so »bringt«.
Und dann gibt es da noch einen ganz anderen Begleiter und Führer: weich, verletzlich, manchmal fast sentimental. Als ich nämlich herauszubekommen versuche, wie oft er das noch machen will - den Weg nach oben, die Motivations- und Konditionsarbeit mit Kili-Aspiranten, da zögert er mit der Antwort nur ganz kurz: »Hundert Mal!« Hundert Mal, weil jeder Trip für ihn eine gute Sache ist, eine Hilfe für die einheimischen Träger und ihre Familien, vor allem ihre Kinder. »Ich möchte etwas zurückgeben«, sagt er
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