Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
erahnen konnte. Das Haar das Mönches kräuselte sich in kurzen schwarzgrauen Locken. Um ihn herum standen sechs Männer mit gezogenen Waffen. Sie trugen unter grauen Wettermänteln dunkle Kleidung, und keiner von ihnen erweckte den Eindruck, als wäre mit ihm zu spaßen. Hellami suchte angstvoll Leandras Nähe.
»Ich kenne dich«, sagte Leandra in angespannter Ruhe zu dem Mann.
»Ja ... Adeptin Leandra«, erwiderte ihr Gegenüber.
»Wer bist du? Einer von Chasts Leuten?«
Das Gesicht des Mannes blieb unbewegt. Leandra registrierte nebenbei, dass es noch immer ihr Licht war, das hier für Helligkeit sorgte. Ein kleiner Vorteil. Sie könnte es schlagartig erlöschen lassen und hätte damit einen kleinen Überraschungseffekt. Sie gab sich keine Mühe, mit dem Inneren Auge die Macht ihres Gegenübers erforschen zu wollen. Mit Sicherheit hatte Chast keinen Stümper geschickt, und auch bei all der Übung, die sie im letzten halben Jahr gesammelt hatte, war ihr dieser Mönch mit Sicherheit überlegen. Zudem benutzte er eine Magieform, die sehr wirkungsvoll war. Sie beschloss, ein wenig Zeit herauszuschinden und dann zu sehen, welche Möglichkeiten sich boten. Entkommen mussten sie auf jeden Fall. Es war nur die Frage, wie hoch der Preis sein würde.
»Nun? Willst du mir nicht die Ehre antun, mir deinen Namen zu nennen? Jetzt - wo du uns in deiner Hand hast und uns zweifellos umbringen wirst?«
Einer der Mundwinkel des Mönches zuckte leicht. »Mein Name ist Usbalor. Mein Meister hat mich persönlich entsandt, euch beide zu suchen. Wenn ihr keine Fluchtversuche unternehmt, kann keine Rede davon sein, dass ihr umgebracht werdet. Chast will euch sehen.«
»Du meinst, er will uns persönlich umbringen, nicht wahr?«
»Ich führe nur einen Auftrag aus. Was ist nun -kommt ihr freiwillig mit?«
Dieser Usbalor - Leandra wusste nun, dass sie ihn aus Unifar kannte - wollte sich wohl auf nichts einlassen. Er schien ein Mensch völlig ohne Emotionen zu sein, ein willfähriger Scherge seines Meisters. Wenn ihr nicht schnell etwas einfiel, dann gab es nicht mehr viel Zeit zu gewinnen. Aber bisher war ihr noch nichts Vernünftiges in den Sinn gekommen. Sie wurde nervös.
»Nicht so schnell!«, kam Hellami ihr zu Hilfe. »Was ist mit Marthis? Wo ist er? Habt ihr ihn verschleppt? Oder gar getötet?«
»Ich sehe keinen Grund, mit euch über irgendwelche anderen Leute zu reden«, sagte Usbalor kalt. »Lasst eure Waffen und eure Ausrüstung fallen. Dann können wir darauf verzichten, euch zu fesseln. Entscheidet euch jetzt. Jetzt gleich.«
Der Ton des Mönches war plötzlich finster geworden. Hatte er zuvor nur neutral geklungen, so war nun jener drohende Unton hinzugekommen, der eindeutig die Handschrift der Bruderschaft von Yoor trug. Das waren Leute ohne Skrupel, die über Leichen gingen, um ihre Ziele zu erreichen.
»Wir können nicht mit euch kommen«, sagte Leandra kurzum, denn es fiel ihr nichts Besseres ein. »Wir müssen hier auf Marthis warten.«
»Erledige das«, sagte Usbalor zu einem großen Kerl, der gleich neben ihm stand. Ohne ein weiteres Wort wandte der Mönch sich um, zog den Kopf ein wenig ein und verließ Marthis' Behausung.
Leandra schluckte. Der andere, der nun in den Vordergrund trat, schien nur darauf gewartet zu haben, die Sache in die Hand nehmen zu dürfen. Er hatte sein Schwert erhoben und zielte damit unmissverständlich auf Leandras Kehle.
»Na, los, ihr Weiber!«, fauchte er. »Weg mit dem Kram!«
Zwei andere Männer kamen mit ebenfalls erhobenen Schwertern auf sie zu. Leandra überlegte verzweifelt, was sie tun sollten. In einem Schwertkampf hatten sie keine Chance. Würde sie hingegen Magie anwenden -was gegen diese sechs wenigstens eine kleine Aussicht auf Erfolg bot, dann würde dieser Usbalor sofort wieder hier sein. Und dem war sie nicht gewachsen. Die Chancen standen denkbar schlecht.
»Los!«, brüllte der große Kerl und rückte noch näher.
Leandra ächzte. Sie schälte sich aus den Trageriemen ihres Rucksackes und ließ ihn fallen.
»Du auch!«, bellte der Mann Hellami entgegen.
Als auch sie die Trageriemen ihres Rucksackes abstreifte, steckte der Mann sein Schwert weg - während die anderen die ihren noch ein Stück hoben.
Leandras Rucksack fiel zu Boden. Der Mann zog ihn mit dem Fuß heran und hob ihn auf. »Was ist da drin?«, fragte er.
Leandra zuckte die Schultern. »Nichts Besonderes. Kleider, Ausrüstung ...«
»Brauchst du nicht mehr!«, sagte der Kerl, grinste auf
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