Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
nickte und hielt sich eine Weile an ihr fest. Dann löste sie sich und blickte zum Himmel auf. Die Morgendämmerung würde noch auf sich warten lassen. »Ich bin müde«, sagte sie. »Wenn ich traurig bin, möchte ich immer schlafen.«
Leandra nickte. Roya ließ sich zurücksinken und wickelte sich in ihre Decken und Mäntel. Schon kurz darauf war sie eingeschlafen. Leandra tat es ihr nach, aber sie merkte gleich, dass sie an Schlaf nicht mehr denken brauchte. Da war die unsägliche Erleichterung über ihre Unschuld, aber auch die Sorge über das Auftauchen des Mönchs. Sie hatte keinen vernünftigen Grund zu der Annahme, dass es der gleiche gewesen war, wie in Guldors Hurenhaus, aber sie hätte darauf wetten mögen, dass er es gewesen war. Unruhig wälzte sie sich auf ihrem Lager hin und her. Sie hätte wenigstens noch eine Stunde schlafen wollen, denn sie fühlte sich alles andere als erholt.
Irgendwann hörte sie, dass sich Hellami regte.
Vorsichtig kroch sie an Hellami heran, schob sich unter ihre Decken und hatte sich bald eng an ihren Rücken geschmiegt. Hellami schien gleich zu wissen, dass es nur Leandra sein konnte, die gekommen war. Sie wühlte sich mit einem wohligen Seufzer tiefer in ihr Lager hinein. Leandra seufzte auch und schlief dann endlich ein.
Als es dämmerte, erwachte sie. Hellami lag ruhig in ihren Armen, aber sie war schon wach und starrte zum Sonnenfenster hinauf, das langsam hell wurde und von einem neuen Tag kündete. Ein Tag, der entgegen ihren Befürchtungen doch erfreulicher sein würde als der vergangene. Sie schwiegen und beobachteten, wie die Helligkeit, die durch das Sonnenfenster drang, langsam zunahm.
»Roya hat mir erzählt, wie es gewesen ist«, sagte Leandra schließlich.
Hellami wandte den Kopf und erkannte die Erleichterung in ihren Zügen. »Du sprichst von Jasmin?«
Offenbar kannte auch Hellami die Wahrheit noch nicht. Leandra berichtete, was Roya erzählt hatte. Hellami stieß einen erleichterten Seufzer aus.
»Ich muss jetzt wahrscheinlich mit Jockum gehen«, sagte Leandra. »Der Cambrische Orden erwartet, dass ich zur Verfügung stehe, da ich dieses Schwert habe. Ich meine ...«
Hellami nickte verstehend. »Ja, ich weiß. Unsere Wege werden sich trennen.«
Leandra fühlte Schwermut in sich aufsteigen. »Was willst du nun tun?«
»Jemand muss sich um Roya kümmern«, antwortete sie. »Das Mädchen ist völlig am Ende. Ich fürchte, ich muss für eine Weile ihre große Schwester spielen, bis sie den Tod von Jasmin überwunden hat. Sie ist erst siebzehn, hast du das gewusst?«
»Siebzehn?« Leandra betrachtete das hübsche Gesicht des friedlich schlafenden Mädchens. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verbeißen. »Sie ist dreist, was? Mit siebzehn Jahren schwanger ...«
Auch Hellami lachte leise, und Leandra wusste plötzlich, dass sie dieses Lachen furchtbar vermissen würde. Für weitere Minuten lagen sie unbewegt, denn es mochte das letzte Mal für lange Zeit sein. Angesichts der Gefahren, die da kommen mochten, vielleicht für immer.
»Ich habe Angst um dich«, sagte Hellami. »Wenn dir etwas zustößt, werde ich bis an mein Lebensende heulen.«
Leandra versuchte ihr Mut zu machen. »Das Schwert wird mich beschützen, ich weiß es. Es ist ungeheuer mächtig. Du hättest sehen sollen, wie es dieses Monstrum in Stücke geschnitten hat...!« Sie fuchtelte mit einer Hand in der Luft herum.
Hellami sah neugierig auf, ließ sie aber nicht los. Sie hatte beide Arme fest um Leandras Brustkorb geschlungen.
»Wohin wird der Primas dich jetzt schicken?«, fragte sie.
Leandra seufzte. »Keine Ahnung, vielleicht zurück nach Savalgor. Ich weiß nicht, was die Meister miteinander besprochen haben.« Sie reckte sich ein wenig. »Aber mit Glück ist diese Sache bald ausgestanden. Dann sehen wir uns wieder. Vielleicht schon in zwei, drei Wochen!«
Diese Aussicht munterte Hellami auf. Aber gleich darauf trübte sich ihr Blick wieder. »Wir müssen Jasmin begraben«, sagte sie. »Es tut mir so Leid, dass ich sie kaum kannte. Sie war so ...«Ihr fiel nichts Angemessenes ein.
»Mutig«, half ihr Leandra. »Dass sie mit ihrer Schwester den Wächter niedergehauen hat, war mit Sicherheit die mutigste Tat.«
Hellami nickte beipflichtend. »Ja, ganz bestimmt!«, sagte sie.
Nach einer Weile fuhr Hellami fort. »Wir werden in das Dorf zurückgehen, wo Roya und Jasmin herstammen.
Roya meint, es läge eine oder anderthalb Tagesreisen von hier im Osten. Dort leben ihre Eltern
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