Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
fordern/ Weiterhin herrschte betroffenes Schweigen.
Aber auch darüber sollten wir ein anders Mal reden, fuhr Meakeiok fort. Ihr seid wie Kinder, die den Begriff des Respekts noch nicht erlernt haben.
Das sind harte Worte, dachte Leandra, aber Meakeiok hatte trotz allem Recht. Ohne Zweifel gab es die Drachen schon sehr viel länger in dieser Welt als die Menschen. Die Menschen verfielen immer wieder in den alten Fehler, sich als die Krone der Schöpfung zu sehen.
Es kehrte eine Minute des Schweigens ein, in der die Drachen auf unhörbare Weise miteinander kommunizierten. Dann wandte Meakeiok wieder seinen Kopf.
Altmeister Munuel, hieß es dann. Meine Sippe schalt mich, dass ich zu streng mit euch sei. Womöglich haben sie Recht. Ich habe deswegen beschlossen, dass wir euch trotz aller Vorbehalte auf unseren Rücken nach Coar Maneit bringen werden, denn ihr könntet diesen Ort ohne unsere Hilfe niemals erreichen. Es ist offensichtlich, dass ihr ohne Hilfe den drohenden Gefahren nicht mehr rechtzeitig begegnen könnt -und dass mag auch uns Drachen schaden.
Das wollt ihr wirklich tun? lautete die verlegene Antwort von Munuel.
Ja, antwortete Meakeiok. Aber eure Reittiere - die Pferde, wie ihr sie nennt - können wir nicht mitnehmen.
Sie werden mit dem Adepten Ulric in die Stadt zurückkehren, sagte Munuel schnell.
Gut, sagte Meakeiok und seine Stimme hatte etwas sehr Erhabenes. Dann sollten wir aufbrechen.
32 ♦ Drachenflug
E s war das vielleicht spektakulärste Erlebnis in Leandras bisherigem Leben. Allein der Moment, da sie sich dem Drachen näherte, der sie auf den Rücken nehmen sollte, kostete sie all ihre Beherrschung. Dazu schien es ihr, als hätten sich auf geheimnisvolle Weise schon während des Gesprächs mit Meakeiok die Paare ergeben, die miteinander fliegen würden, denn sie steuerte mit einer unerklärlichen Gewissheit auf den jungen Drachen zu, der sie die ganze Zeit über schon neugierig beäugt hatte.
Dem Tier dann Angesicht in Angesicht gegenüberzustehen ging beinahe über ihre Kräfte. Allein der schlanke, lang gestreckte Schädel des Drachen war so groß wie sie, und die schwarzen Augen starrten sie in einer Weise an, dass sie sich so hilflos fühlte wie ein neugeborenes Baby.
Der Drache roch sehr intensiv, und sie konnte zunächst nicht einordnen, woher sie diesen Geruch kannte. Dann wurde ihr klar, dass sie in der Angadoorer Schmiede schon einmal so etwas vernommen hatte - es war wie heißes Metall, womöglich Kupfer. Es war ein elektrisierender Geruch, er rief den Eindruck von unbändiger Energie hervor, von urzeitlicher Kraft und gewaltiger Vitalität. Nach einiger Zeit kam es ihr sogar logisch vor, dass Drachen so riechen mussten, kein anderer Duft hätte ihre Wesensart so widerspiegeln können.
Der Kopf ragte vor ihr auf, und hätte der Drache seinen Hals nach oben gestreckt, dann hätte er wohl an die drei Mannslängen Höhe erreicht. Sie betrachtete ehrfürchtig die gewaltigen Muskeln am Brustkasten des Tiers, die in mindestens der fünffachen Dicke eines starken Männeroberschenkels in die Schwingen hinausliefen.
Der Drache hatte beide Schwingen an seinen Flanken zusammengefaltet; ihre Vorderkanten wiesen nach etwa zwei Dritteln der Flügelspannweite eine kleine, verkümmerte Krallenhand auf. An der Art, wie der Drache herumtänzelte, sah sie, dass er wohl innerhalb eines Wimpernschlages jeden seiner Flügel zur vollen Spannweite hervorschnellen konnte. Die unbändige Kraft, die allein darin lag, machte ihr Angst.
Die Augen des Tiers durchdrangen sie eine halbe Minute lang, dann spürte sie eine mentale Aufforderung, auf seinen Rücken zu steigen. Doch sie zögerte. Dann fuhr der Kopf herab, und die Spitze des Mauls stieß sie bemerkenswert sanft vor die Brust. Diese sehr menschlich wirkende Geste durchbrach schließlich ihre Beklemmung. Der linke Flügel sackte ein Stück herab, und sie begriff, dass sie über ihn auf den Rücken klettern sollte.
Zögernd streckte sie die Hand aus, und das seltsame Gefühl überkam sie, dass die Haut des Drachen heiß sein könnte und sie sich verbrennen würde. Sie kämpfte alle Gefühle nieder und kletterte auf die gewaltige Schwinge.
Leandra war im Vergleich zu dem Tier nicht viel größer als ein Hase zu einem Menschen.
Die ledrige Haut fühlte sich erstaunlicherweise weich und tatsächlich ziemlich warm an. Sie wusste, dass die meisten Drachenarten am liebsten Golaanüsse fraßen, Baumfrüchte, die so groß wie Kinderbälle waren und
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