Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
nicht. Ihr Kopf begann sich wie im Schwindel zu
drehen.
Quendras war dem Tode nahe und Roya suchte Rettung für ihn.
Ich half ihn. Und dann… kam ich zu dir. Das ist auch der Grund,
warum du mich in meinem Turm nicht mehr angetroffen hast,
obwohl ich nach dir verlangt hatte. Begreifst du jetzt endlich?
Leandra stieß ein Keuchen aus, dann brach sie zusammen.
*
Roya fiel nicht weit.
Eine sanfte Kraft fing sie auf und sie schwebte empor, bis sie
auf einer Höhe mit Alina war. Ihre Freundin nahm sie in die Arme
und drückte sie fest an sich.
»Bin ich jetzt… tot?«, ächzte Roya.
»Nein«, flüsterte Alina. »Keine Sorge. Nur ein bisschen Magie.«
Roya versuchte, wieder Herr ihrer selbst zu werden. Was hier
geschah oder geschehen war, konnte nur Ulfas Werk sein, und
wenn man diesen Gedanken ganz festhielt und an nichts anderes
dachte, hatte eigentlich nie eine Gefahr für sie bestanden.
Weder für Alina noch für sie selbst.
Roya klammerte sich an Alina fest und ihr wild pochendes Herz
beruhigte sich langsam wieder. Noch immer schwebten sie über
dem Abgrund.
Erstaunlicherweise hatte sie keine Angst mehr.
Es war warm in dieser seltsamen, leuchtenden Aura, in der Alina schwebte. Sie trugen nur ihre Unterhemden, aber die Kühle
der Nacht und der Luft über dem Wasserfall kam nicht an sie heran. Es war ein seltsames Gefühl… eine Erinnerung an ihre Gefangenschaft in Guldors Hurenhaus, denn dort hatten sie auch nur
zwei Kleidungsstücke dieser Art gehabt. Doch dann kam noch ein
anderes Gefühl hinzu. Es war etwas völlig Verrücktes, doch als
Roya plötzlich Ulfa in ihrer Nähe sah, wie ein silberner Schatten
sie umkreisend, ahnte sie, was da geschah. Nie hätte sie gedacht,
dass ihr so etwas passieren würde.
Es war eine Legende, von der sich junge Mädchen manchmal
schwärmerisch zuflüsterten, und Roya hatte sie nie auch nur
halbwegs für wahr gehalten.
Es ging um die Baumdrachen, diese geheimnisvolle Drachenart,
deren Aussehen sich Ulfa für sein Erscheinen erwählt hatte.
Baumdrachen waren der Legende nach sehr scheu und zeigten
sich nie. Es galt allein schon als unbewiesen, dass es sie überhaupt gab, denn niemand bekam sie je zu Gesicht. Niemand außer jungen Mädchen. Es hieß, in jedem Baumdrachen stecke ein
verzauberter Prinz, und manchmal würden sie sich jungen Mädchen für ein oder zwei Jahre als Spielgefährte anschließen, bevor
sie plötzlich wieder verschwanden. Und wenn ein Mädchen unsägliches Glück hätte, dann würde sie während dieser Freundschaft
mit ihrem geheimnisvollen Spielgefährten den Drachentanz erleben.
Roya spürte, wie sie sich beide, eng umschlungen und in der
Luft schwebend, um die eigene Achse zu drehen begonnen hatten, während Ulfa sie in der Gegenrichtung umkreiste. Ein aufregendes Kribbeln fuhr durch ihren Leib, und die plötzliche Wärme,
die von Alinas Körper ausstrahlte, war überwältigend. Sie hatte
gedacht, dieser Zauber beträfe, wenn überhaupt, nur halbwüchsige Mädchen. Und dass sie ihn mit Ulfa erlebten, dem mächtigen
Urdrachen der Höhlenwelt, war mehr als überraschend.
»Der Drachentanz!«, flüsterte ihr Alina ins Ohr. Sie wusste es
also auch. Sie hielten sich ganz eng umschlungen, und das Kribbeln in Roya näherte sich einem lustvollen Höhepunkt. Alinas
Körper war warm und aufregend und Roya wurde sich ihrer tiefen
Zuneigung zu Alina bewusst. Eigentlich kannten sie sich erst seit
einem Tag.
»Stimmt«, flüsterte Roya zurück und klammerte sich wohlig
noch enger an Alina. Eine heftige Welle der Lust durchströmte sie
und sie stöhnte verlangend auf. »Müssen wir… irgendwas tun.?«,
keuchte sie.
»Sag nichts. Lass es einfach geschehen.« Das Gefühl körperlicher Erregung schwappte noch höher. Es war elektrisierend wie
die Luft im Zentrum eines Gewittersturms und wie ein leidenschaftlicher Geschlechtsakt zugleich. Eine feine, fast nicht wahrnehmbare Musik umfloss sie – so zart und leicht, dass sie nur in
ihrem Kopf und in ihren Gedanken zu hören war, aber dennoch
die Dichte und Klangfülle eines ganzen Orchesters besaß. Roya
blickte für einen verwirrten, ungläubigen Moment nach unten: Sie
schwebten tatsächlich über einem drei Meilen tiefen Abgrund.
Dennoch hatte sie nicht das Gefühl, in irgendeiner Gefahr zu sein.
Es war Ulfas Zauber, den sie spürte; seine Macht und Kraft, die
gutartig war und die niemals zugelassen hätte, dass sich Alina
eines dummen Beweises wegen in den Tod gestürzt hätte.
Immer schneller
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