Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
gesehen haben.
Mit Bedauern dachte sie an ihre Kleider und besonders das Kettenhemd, dieses leichte magische Ding, das ihr Hilda einst geschenkt hatte. Leider war es auf der Moose zurückgeblieben, mitsamt dem Schwert. Und die Moose existierte nicht mehr. Die Moose?
Ja, das war Roscoes Schiff gewesen, das Schiff, das plötzlich explodiert war. Aber woher kannte sie den Namen Moose? Eigentlich konnte dieser Kurs, wie Vasquez ihn genannt hatte, unmöglich den Namen von Roscoes Schiff enthalten haben… oder doch?
Egal, dachte sie und ließ sich von der Bettkante rutschen.
Auf einem ungewöhnlich geformten Stuhl lagen ihre Kleider. An dem frischen Geruch erkannte sie, dass sie gereinigt worden waren, auch die Unterwäsche. Sie war nun ein ganz neuer Mensch, hatte neue Kleider und sogar eine neue Sprache. Nur eines war zum Glück noch wie früher, nämlich ihre Drachentätowierung und ihr…
Mit einem leichtem Schreck fuhr ihre Hand hinauf zum Hals – und sie atmete auf. Das Wolodit-Amulett war noch da. Ohne das Amulett hätte sie keinen Schutz mehr gehabt. In einer fremden Umgebung wie dieser wäre das ein furchtbarer Verlust. Als sie in ihre Unterwäsche schlüpfte, dachte sie über die Magie nach. Sie hatte damit schon weitaus mehr herumgeprotzt, als sie sich vorgenommen hatte. Die Magie hätte ihr Geheimnis bleiben sollen – bis sie ihre Künste einmal dringend brauchte. Nun gut, damals, als sie den schweren Roscoe auf die Brücke hatte zerren müssen, oder die Situation in dem kleinen Schiff, als ihnen die Luft ausgegangen war – das waren sicher Notfälle gewesen. Und auch, als Vasquez’ Beine eingeklemmt gewesen waren. Aber die Rauferei auf der Brücke der Tigermoth…? Da hätte sie vielleicht lieber doch nicht eingreifen sollen. Wenn jeder wusste, was sie konnte, und auch, dass sie nicht lange zögern würde, davon Gebrauch zu machen, würde ihr in entscheidenden Momenten der Überraschungseffekt fehlen.
Darüber hinaus war es nicht mehr so leicht wie früher – mit der Magie.
In der Höhlenwelt, wo das Wolodit und das Trivocum allgegenwärtig waren, hatte ein Magier keine sonderliche Mühe, ein Aurikel zu setzen, und ein magisches Ereignis wie die Entwicklung von Hitze, Druck oder eine Illusion herbeizuführen. Hier draußen allerdings war das etwas anderes. In ihrem Amulett steckte ein ganzer Berg an Wolodit, aber dieser Berg wirkte anders als eine Umgebung aus Wolodit. Sie musste sich viel stärker konzentrieren als früher, musste ihre Aurikel förmlich ins Trivocum pressen, und sie schlossen sich auch nicht mehr so leicht wie einst. Sie hatte das Gefühl, dass es sie inzwischen das Doppelte an mentaler Kraft kostete, eine Magie zu wirken. Ab jetzt war Zurückhaltung geboten.
Sobald sie angezogen war, verließ sie den kleinen Raum.
Die Tür führte auf einen spärlich erleuchteten Gang hinaus. Wie lange sie geschlafen hatte, wusste sie nicht, bestimmt aber waren es viele Stunden gewesen. Inzwischen mussten sie auf irgendeiner Welt gelandet sein, wo man sie in ein unterirdisches Quartier gebracht hatte. Die Steinwände, die es auch hier draußen im Gang gab, und das fehlende Vibrieren, das für ein Raumschiff typisch war, deuteten darauf hin. Sie marschierte nach rechts, wo der Korridor etwas heller erleuchtet war. Dort fand sie auch mehrere Türen, die jedoch allesamt verschlossen waren. Nach kurzer Zeit erreichte sie einen Vertikalport. So etwas kannte sie bereits vom Mutterschiff der Drakken und von Roscoes Schiff. Dabei erinnerte sie sich an die nette Stimme der Frau, die sie gern einmal gesehen hätte. Als sie daran dachte, dass diese Frau die Flucht von der Moose offenbar nicht mehr geschafft hatte, überkam sie ein Gefühl dumpfer Trauer. Sie musste Roscoe unbedingt nach ihr fragen. Hoffentlich war sie nicht wirklich umgekommen.
Mutig sprang Leandra in die schwach leuchtende, leere Röhre des Ports – und blieb mitten in der Luft hängen. Du musst eine Richtung angeben!, hörte sie die Stimme in ihrem Kopf. Ja, natürlich. Auf der Moose hatte die Frau mit der netten Stimme immer für alles gesorgt, hier aber gab es so etwas offenbar nicht. In der Luft schwebend, sah sie sich um, konnte aber nichts entdecken, womit sie diesem Vertikalport hätte mitteilen wollen, wohin sie wollte. Die leuchtende Röhre erstreckte sich über und unter ihr in schwindelnde Fernen, und ihr wurde etwas mulmig im Magen.
»Ich will hinauf!«, rief sie laut in die Röhre. Augenblicke später schon geriet sie in
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