Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens
vorüber, aber
Giacomo hatte nichts davon geschrieben, dass er sie benutzen
sollte. Er trabte weiter, bis er einen dunklen und schmalen Treppenabgang erreichte. Sonst gab es hier nichts. Auf leisen Sohlen
stieg er hinab. Der Tritt seiner Füße fühlte sich weich an, und er
konnte sich nahezu völlig lautlos bewegen. Bei diesem Anzug war
offenbar an alles gedacht worden. Die Treppe führte weit hinab.
Unterwegs leuchtete ein blasser, roter Fleck auf der Folie vor seinem Kinn auf. Ain:Ain’Qua blieb stehen.
Eine Schrift oder etwas Ähnliches tauchte nicht auf, aber die
Farbe sprach für sich. Rot war in allen Kulturen und allen Sprachen schon immer ein Symbol für Warnung oder Gefahr gewesen.
Nach einigen Sekunden flackerte der rote Fleck, verwandelte sich
in Orange, bald darauf in Grün und verblasste. Ain:Ain’Qua überlegte, ob dieses Symbol einen möglicherweise zu hohen Energieausstoß seines Anzugs signalisierte oder ob er vielleicht etwas
registriert hatte – einen aktiven Sensor zum Beispiel, der hier
Wache hielt. Langsam bewegte er sich weiter, stieg tiefer, bis sein
Weg in einem kleinen, quadratischen Raum mit drei Türen endete. Das Warnlicht war nicht mehr aufgeflammt.
Seht Euch in dem Raum mit den drei Türen um, Heiliger Vater,
erinnerte er sich an Giacomos Anweisung. Die Türen stellen ein
Verwirrspiel für Verfolger dar, das vor langer Zeit einmal einfindiger Mann dort eingebaut hat. Ist eine davon einen Spalt geöffnet?
Nehmt sie nicht, sondern eine der beiden anderen! Sind zwei geöffnet? Wählt die linke davon. Sind alle drei einen Spalt offen,
nehmt die ganz rechts liegende. Seid Ihr hindurch, schließt die
jeweilige Tür hinter Euch. Der Mechanismus wird Euch helfen,
Euren Weg zu verschleiern.
Ain:Ain’Qua fand alle drei einen Spalt geöffnet, nahm die rechts
liegende Tür und zog sie hinter sich zu. Als sie mit einem Klick
schloss, flammte sofort die rote Anzeige wieder auf. Augenblicklich blieb er stehen, wartete, bis Orange und Grün wieder erloschen waren. Dann lief er weiter, eine Treppe hinab.
Was die Lichter auch bedeuten mochten, er beschloss, stets
stehen zu bleiben und abzuwarten, bis sie erloschen waren. Vielleicht zeigten sie jede mögliche Gefahr an, die ihm unterwegs
unterkam.
Mit ziemlicher Sicherheit standen, nachdem der Arrest ausgesprochen war, überall im Gebäude Wachposten, und alle Überwachungssysteme arbeiteten. Sonst hätte es nicht viel Sinn ergeben, einen Hausarrest zu verhängen. Giacomos Fluchtplan war
darauf ausgelegt, ungesehen das Gebäude und das Gebiet des
Paulus-und-Kar:J’hee-Rings zu verlassen, um sich dann mit einem Codewort an eine von drei möglichen Vertrauenspersonen in
Lyramar zu wenden. Diese Person würde dann für eine Flucht
Ain:Ain’Quas von Schwanensee sorgen. Die Treppe mündete in
einen weiteren Gang. Soweit Ain:Ain’Qua das beurteilen konnte,
verlief er in Richtung der Mitte des Doms. Er war auf dem richtigen Weg. Am Ende des zweiten Gangs kommt eine schwierige
Passage, Heiliger Vater. Ihr müsst einen kreisrunden Saal durchqueren, der direkt unterhalb des Rundschiffs des Doms liegt. Nur
sehr wenige Leute kennen diesen Ort, aber er ist sehr bedeutungsvoll. Er nennt sich der Sonnensaal, da er angeblich ebenso
viele Ausgänge besitzt, wie die Sonne Strahlen hat. Völlig falsch
ist dieser Vergleich nicht, denn es gibt wirklich viele. Hinter jeder
der hölzernen Kastentäfelungen an den Wänden existiert einer.
Sie führen zu geheimen Archiven. Sucht den Kasten mit der Zahl
106 und gebt die Zahl dort verkehrt herum ein. Bewegt Euch sehr
vorsichtig, denn dieser Saal könnte bewacht sein.
Der letzte Satz war, wie sich Ain:Ain’Qua erinnerte, ein kürzlich
hinzugefügter Vermerk in Giacomos Fluchtdokumentation gewesen. Er machte ihn etwas nervös, denn Giacomo drückte sich gewöhnlich präziser aus. Konnte es sein, dass er selbst nicht gewusst hatte, um welche Art von Bewachung es sich dabei handeln
mochte? Auch wie dieser Kasten mit der 106 zu finden und dort
eine Zahl einzugeben wäre, hatte Giacomo mit keiner Silbe beschrieben.
Ain:Ain’Qua erreichte das Ende des Ganges und überlegte, dass
er einen Hinweis auf die 106 vielleicht schon finden konnte, wenn
er sich genau ansah, durch welchen Ein- oder Ausgang er den
Sonnensaal betrat und welche Mechanismen es dort möglicherweise gab. Er hob den Transponder und untersuchte in dem kleinen Lichtstrahl die dunkle Tür, die vor ihm lag. Kurz leuchtete der
rote Fleck in seinem
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