Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
Drachen
sind dort. Ullrik erschauerte. »Wirklich? Noch mehr – nicht nur
Meados?«
Wie viele es sind, kann ich nicht sagen. Ich glaube, nur ein
paar. Aber es sind große Drachen, Vierbeiner. Und Vierflügler.
Ullrik wurde flau im Magen. Allein an Tiraos Tonfall hatte er erkennen können, was sein Drachenfreund, der Zweibeiner, davon
hielt, solche Drachen hier anzutreffen. Der Konflikt, der da zwischen den großen, vierbeinigen Drachenarten der Höhlenwelt und
ihren zweibeinigen Artgenossen ausgebrochen war, war neu, jedenfalls für die Menschen.
»Wenn auch die Vierbeiner von hier stammen«, meinte Ullrik
nachdenklich, »habt ihr einen Unfrieden, der älter ist als die Höhlenwelt und der hier seinen Ursprung haben muss. Ist dir das
klar?«
Ja. So langsam lässt sich das nicht mehr leugnen.
Bitterkeit sprach aus Tiraos Stimme.
»Und dieser Schwarze Nebel? Was ist das? Glaubst du, er hängt
mit dieser Sache zusammen?«
Ich weiß es nicht, Ullrik. Ich hoffe, wir werden bald Antworten
auf diese Fragen finden. Aber ich muss jetzt fort. Es wird immer
heller, und ich muss mich verstecken.
Allein bin ich diesen großen Drachen nicht gewachsen.
Mitfühlend trat Ullrik an Tirao heran und legte ihm in freundschaftlicher Geste die Hand auf die mächtige Brust.
»Treffen wir uns wieder hier? Heute Abend… oder nein, besser
morgen früh, um diese Zeit. Bis dahin haben wir beide vielleicht
schon etwas herausgefunden.«
Ja. Ein guter Gedanke. Sei vorsichtig, Ullrik, und viel Glück. Ich
muss jetzt schleunigst fort. Hier gibt es keine Stützpfeiler mit
Höhlen, in denen ich mich verstecken kann.
Ullrik nickte, trat zurück und hob winkend die Hand, während er
in die Hocke ging, um nicht von Tiraos Startböe umgeworfen zu
werfen. Der Drache warf sich mit einem mächtigen Sprung ein
Dutzend Ellen in die Luft und arbeitete sich dann in einer weiten
Kurve in Richtung der fünfseitigen Pyramide vor, wobei er vergleichsweise tief blieb.
Ullrik sah ihm eine Weile hinterher, winkte ihm noch einmal und
blickte dann in Richtung des Schwebenden Zahns, der, weit entfernt, im Licht der aufgehenden Sonne einen grotesk langen
Schatten über das Land warf. Und tatsächlich, dort konnte er einen winzigen Punkt in der Luft erkennen. Das musste Meados
oder einer seiner Kumpane sein. Doch er war so weit entfernt,
und es stand wohl nicht zu befürchten, dass er einen niedrig fliegenden Felsdrachen hier auf dem Land entdecken würde.
Ullrik wartete, bis er Tirao aus den Augen verloren hatte, dann
machte er sich auf den Weg.
*
Etwa eine halbe Stunde später begegnete er dem ersten Menschen, wiederum einem Mann mit einem Karren und einem davorgespannten, höchst eigentümlichen Fischwesen auf zwei Beinen. Schnell versteckte sich Ullrik zwischen Büschen am Wegesrand und beobachtete das vorüberziehende Gespann genau.
Es war womöglich der gleiche Mann wie gestern Nachmittag,
Ullrik war sich dessen nicht sicher. Wenn er es tatsächlich war,
hatte ihn der Anblick Tiraos wohl nicht wirklich verschreckt, denn
er schien nicht im Geringsten besorgt zu sein. War es ein anderer, so hätte ihn zumindest die Nachricht über die Gegenwart eines schrecklichen Drachen in der Gegend Sorge bereiten sollen.
Aber er trottete mit unbekümmerter Miene neben seinem rumpelnden Karren einher. Also gab es nur eine Antwort: Drachen
waren hier nichts Ungewöhnliches, man war nur nicht begeistert,
wenn man ihnen allzu nahe kam.
Interessant war dieses Fischwesen. Es war einen Kopf größer
als der Mann, obwohl die Bezeichnung >Kopf< sehr hinkte: Von
der Brust aufwärts war so gut wie alles Kopf. Das Wesen sah aus,
als hätte man einem muskulösen Mann das vordere Drittel eines
übergroßen, ausgehöhlten Fisches übergestülpt. Das Tier war
nackt, mit grünlichen-grauen, unregelmäßigen Schuppen bedeckt
und ging vornüber gebeugt, durch ein paar Leinen mit dem kleinen, zweirädrigen Wagen verbunden. Es hatte sehr kräftige Beine
und Arme sowie eine Anzahl Finnen, die an den Unterschenkeln,
den Unterarmen sowie auf dem Rücken nach hinten ragten. Auf
unbestimmbare Weise wirkte es dümmlich und friedlich zugleich.
Die Finger der kräftigen Hände wiesen ziemlich lange, völlig gerade verlaufende Krallen auf. Diese Hände mochten der Fortbewegung im Wasser oder der Verteidigung dienen; um jedoch ein
Werkzeug zu halten, waren sie völlig ungeeignet. Ja, dachte Ullrik, er hatte es hier anscheinend mit einem nichtintelligenten
Nutztier zu tun, einer
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