Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
diesem Ort eine gewisse bittersüße Schönheit zusprechen können.
Ullrik saß auf einer Felsenspitze, die aus dem Hang und den
Bäumen hervorstach, und blickte zum Seeufer hinab. Die eintreffenden Männer fanden sich in der näheren Umgebung wieder zu
kleinen Gruppen zusammen, das war unvermeidlich – aber ein
glücklicher Zufall wollte es, dass der helle, orangegelbe Mond
genau über dem Schwebenden Felsen stand und Okaryn seinen
Schatten über den Wald, das Seeufer und den Felsen warf. Tirao
saß ein Stück hinter ihm; Nerolaan und Shaani waren ebenfalls
schon eingetroffen und hielten sich unterhalb von ihnen im Schatten des Felsens verborgen.
Abgesehen von dem Waldstück und dem Schatten, in dem es
lag, kam ihnen noch ein dritter Glücksfall zu Hilfe. Der Felsen, auf
dem Ullrik saß, war gut zu erreichen, da er über einen sanften
Grat mit dem Hang verbunden war. Von hier, wo Ullrik saß, würde ein Dache gut starten können, ohne sich jedes Mal mit Anstrengung in die Höhe werfen zu müssen. Tirao, Nerolaan und
Shaani konnten sich einfach in die Luft gleiten lassen, und die
Männer, unerfahren im Drachenflug, waren nicht den Gefahren
eines Starts ausgesetzt, denn bei dem es womöglich etwas ruppig
zuging. So gesehen waren die Umstände im Augenblick denkbar
günstig – wäre da nicht die Ungewissheit gewesen, was sich dort
oben in diesem Augenblick zutrug. Ging es den Mädchen gut,
oder waren sie am Ende von Meados entdeckt worden? Vielleicht
hatten sie auch gar keine Möglichkeit, das vereinbarte Zeichen zu
geben?
Er legte den Kopf weit in den Nacken; wie oft er schon hinaufgesehen hatte, wusste er nicht; doch der dunkle Riesenfelsen
hing schweigend und unheimlich im Himmel und gab ihm keinerlei Hinweis. Ihm blieb nichts übrig, als weiterhin Ausschau zu halten.
Die Stunde der Mitternacht musste nah sein, jetzt galt es, Okaryn genau zu beobachten. Die meisten Männer waren inzwischen
da; immerhin waren es über zweihundert Augenpaare, die hinaufstarrten, und ihnen würde Azranis Lichtzeichen nicht entgehen. Burly drängte sich an Tirao vorbei, der eine Schwinge hob,
um ihm den Weg freizumachen. Er war schwer bepackt. »Die
Männer sind alle da«, berichtete er schnaufend. »Ich habe durchzählen lassen, und es hat nicht einer gekniffen. Was sagst du
nun?«
Ullrik antwortete mit einem gutmütigen Lächeln. »Da kannst du
mal sehen, was man für die Frauen nicht alles tut.«
Burly nickte, warf zwei der Techno-Waffen auf den Boden und
setzte sich neben ihn. »Und was sie nicht alles für uns Männer
tun«, ergänzte er. »Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen, was die beiden da wagen. Ich bete, dass wir sie heil
wieder finden.«
»Beten? Zu wem?«
»Jedenfalls nicht zu den Engeln und diesem Mandalor. Denkst
du wirklich, er ist noch da oben?
Derselbe Mann? Nach vierhundert Jahren?«
Ullrik verzog das Gesicht, dann seufzte er bitter. »Es gibt vieles,
was an der Magie nicht gerade anheimelnd oder beruhigend ist.
Wenn du mich so fragst – ja, ich denke, das ist möglich. Die
Abon’Dhal gebieten über eine sehr mächtige Magie, und ich glaube, wenn man die richtigen Tricks kennt, kann man einen Mann
so lange leben lassen.«
Er atmete tief und langsam; das Thema Magie bereitete ihm zunehmend Magenschmerzen. »Sie brauchen ihn, diesen Mandalor,
weißt du, um ihre Täuschung aufrechtzuerhalten. Jeder Mann aus
dem Dorf, der je dort oben seine drei Tage verbracht hat, wird
ihn mehrmals zu Gesicht bekommen haben. Damit kann man dieses Lügenmärchen vom Heiligen, den Engeln und einem Paradies
bildschön aufrechterhalten.«
Burly nickte nachdenklich. Ächzend zog er sich eine schwere
Seilrolle über den Kopf, die er, um Oberkörper und Schulter geschlungen, mit sich getragen hatte. »Hier ist das Seil. Wozu
brauchst du es denn?«
Ullrik deutete in die Höhe. »Für dort oben. Hast du ein Messer
dabei?«
»Ja, hab ich. Nun sag schon: Was hast du vor? Wofür brauchst
du es?«
Ullrik lächelte wieder, er konnte Burlys Neugierde verstehen.
»Für dich und mich, das wirst du gleich sehen…«
Aus dem Wald unter ihnen erhob sich ein Raunen, einzelne verhaltene Rufe wurden laut. Instinktiv sah Ullrik in die Höhe, er
konnte aber nichts erkennen.
»Ein Licht!«, riefen mehrere Leute herauf. »Dort, an der Westseite!«
Ullrik stieß einen Fluch aus. Er konnte es nicht sehen, und ein
Stück weiter nach vorn zu gehen war ihm nicht möglich, denn er
befand sich auf einer Felsspitze.
Wahrscheinlich
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