Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
Hoffnung, Ulfa
zu finden. »Wir brechen auf«, entschied Alina. »Jetzt gleich.«
»Aber Alina…«
Sie hob Einhalt gebietend die Hand. »In Savalgor hast du das
Kommando übernommen, Victor, jetzt tue ich es. Es gibt für uns
keinen Ort, an dem wir wirklich sicher sind, verstehst du? Wir
riskieren immer etwas – wir müssen es einfach tun. Los jetzt,
packt das Nötigste ein. Wir treffen uns in einer Viertelstunde an
der Schaukel.«
Victor stöhnte. Er wusste, dass es an der Entscheidung nichts
mehr zu rütteln gab. Mit einem Seufzen wandte er sich um und
marschierte in Richtung seiner Unterkunft davon. Immerhin gab
es jetzt etwas zu tun, und eine gewisse Aufregung erfasste ihn,
denn Bor Akramoria war ein geheimnisvoller Ort, den er seit damals nicht mehr besucht hatte. Vielleicht gab es dort wirklich
noch etwas zu entdecken – eine Spur von Ulfa oder den geheimnisvollen Urdrachen der Höhlenwelt. Ulfa war der Gegenpol zu
Sardin gewesen, dem Geist des zerstörerischen Gründers der
Bruderschaft von Yoor, der vor zweitausend Jahren das gesamte
Trivocum niedergerissen hatte, um die Welt zu zerstören und sich
selbst in die Unsterblichkeit zu katapultieren. Beides war ihm
misslungen, denn er hatte durch seine Tat ein Wesen in die Welt
gerufen, welches zu seinem ureigensten Gegenpart geworden
war: Ulfa, den Geist eines von ihm getöteten Drachen. Im Gegensatz zu Sardins zerstörerischen Energien stellte er das Gute dar,
oder besser: die schöpferische Kraft in der Welt. Für zwei Jahrtausende hatte Ulfa Sardins Versuche vereitelt, seine Ziele doch
noch zu erreichen. Als Sardins Macht durch die Wiederbelebung
der Bruderschaft von Yoor in schwindelnde Höhen gestiegen war,
hatte auch Ulfa einen weltlichen Verbündeten benötigt. Leandra
und ihre Freundinnen, später die Schwestern des Windes, hatten
diese Rolle übernommen. Dieser Bund hatte zum Triumph über
Sardins dunkle Pläne geführt.
Doch nun, da sie Ulfas Hilfe suchen wollten, stellte der weitere
Verlauf des Konflikts ihre ganze Mission infrage: Damals hatte
Leandra das Geistwesen Sardin davon überzeugt, dass es sein
Heil nur darin finden könnte, mit seinem Gegenpart Ulfa zu verschmelzen, um sich auf diese Weise aufzulösen. Sardins furchtbarer Fluch war es gewesen, allein und ohne Ziel in einer Zwischenwelt der Unsterblichkeit gefangen zu sein. Sardin war Leandras
Rat gefolgt, hatte sich auf den Weg zu Ulfa gemacht, und das war
das Letzte gewesen, was man je von ihm und dem geheimnisvollen Urdrachen der Höhlenwelt gehört hatte.
»Glaubst du, wir werden Ulfa finden?«, hörte Victor Alina fragen
und spürte gleich darauf ihre Hand, die sich durch seine linke
Armbeuge schob. Victor machte ein nachdenkliches Gesicht und
ließ sich mit seiner Antwort Zeit.
Sie erreichten die Tür zum Nebenbau des Windhauses, das auf
einer Holzplattform an der steilen Felspfeilerwand über einen meilentiefen Abgrund ragte. Victor hob den Türriegel an, küsste Alina
kurz auf die Wange, öffnete die Tür und ließ ihr mit einer galanten Verbeugung den Vortritt. Alina schenkte ihm ein Lächeln,
lupfte mit den Fingerspitzen den Rock, den sie gar nicht trug, und
schwebte mit winzigen Schritten hinein.
»Ich weiß es nicht«, antwortete er endlich, als er ihr folgte.
»Wir können nur hoffen. Nach allem, was uns Leandra erzählt
hat, müsste er eigentlich fort sein.« Er schnippte mit den Fingern.
»Aufgelöst, in nichts, zusammen mit seinem Gegenpart Sardin.«
Sie erreichten ihr Zimmer. »Wie du weißt, hat Hellami eine andere Theorie.«
Er nickte, während er eine Truhe öffnete, um einen kleinen
Rucksack herauszuholen. »Ja, und ich hoffe, sie behält Recht.
Nicht, dass ich große Aufgaben scheuen würde, aber ich glaube
fast, Ulfa ist der Einzige, der uns jetzt noch helfen kann.«
Schweigend packten sie ein paar Sachen ein.
Alina legte derbe Kleidung an und nahm ihren Kurzbogen, während Victor sein altgedientes Schwert in sein Bündel rollte. Dann
verließen sie ihr Zimmer und begaben sich zum Hauptbau, wo
sich die anderen aufhielten. Nach einer letzten Besprechung verabschiedeten sich Alina und Victor von ihrem Söhnchen Marie, der
in der Obhut der treu sorgenden Hilda bleiben sollte.
Dann brachen sie auf.
Über einen Steg und eine lange Hängebrücke, die am Wasserfall
vorbeiführte, liefen sie ins Dorf hinab. Die wenigen Malangoorer
Häuser, nun alle leer und verlassen, verteilten sich über ein zerklüftetes Plateau, das versteckt in zwei
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