Hölle unter Null Grad
kindliche Probleme drehte. Allerdings konnte sich die Kleine überraschend schnell in ein logisch denkendes Geschöpf mit erstaunlich reifem Urteilsvermögen verwandeln. In ihr schienen zwei Seelen zu existieren, was man nur mit der Tatsache ihres mutierten Gehirns erklären konnte.
Ich drückte den Schalter der Sprechanlage nieder, unterließ es jedoch, auch die Bildaufnahme einzuschalten, da ich keine Maske trug. Nicht einmal unserem Liebling durfte ich mein Gesicht zeigen. Meine Kollegen hatten in diesem Fall heftig gegen das Verbot protestiert. Ich hatte mich ihrer Meinung angeschlossen, aber der Alte war unerbittlich gewesen.
»Hallo, Kiny, willst du mich besuchen?«
Auf dem Bildschirm bemerkte ich das plötzliche Aufleuchten in ihren Augen.
»Ah, Sir, Sie sind ja zu Hause. Ich dachte schon, ich müßte so wegfliegen.«
Es berührte mich, daß sie so förmlich »Sir« zu mir sagte. Sie werden darüber vielleicht schmunzeln, aber GWA-Schatten sind die einsamsten Menschen der Erde. Wir durften und dürfen keine Freunde haben. Mir wäre es lieber gewesen, wenn ich ihr einen Namen hätte sagen können.
»Einen Augenblick, Kiny. Du weißt, daß ich erst meine Maske aufsetzen muß. Ich öffne gleich.«
Sie runzelte die Stirn.
»Ach, schon wieder die dumme Maske. Ich mag sie nicht. Wenn Sie aber wirklich müssen …?«
Langsam zog ich die Biosynth-Folie aus der Tasche und streifte sie über den Kopf und das Gesicht. Anschließend drückte ich auf den Öffnungskontakt. Wie ein Wirbelwind rannte die Kleine ins Zimmer. Sie bekam ihren Kuß, was sie als selbstverständliches Recht beanspruchte.
Während dieser Begrüßung lüftete der Kollege blitzschnell die Maske an, damit ich sein Gesicht sehen konnte. Ich wußte zwar genau, daß es sich um den Leutnant handelte, aber auch hier galten die Vorschriften. Rein äußerliche Merkmale konnten von einem geschickten Betrüger nachgeahmt werden. Also durfte man sich niemals darauf verlassen.
Ich nickte ihm zu. Er trat an den Erfrischungsautomaten.
»Es ist soweit, Sir«, sagte er ruhig. »Ich bringe Kiny in die Antarktis, wo mein flugfähiger Stützpunkt schon vorbereitet ist. Der Schrauber ist wie ein Wohnwagen ausgerüstet und vorzüglich getarnt. Wenn er auf dem Boden steht, sieht er wie ein Eisblock aus. Ich bleibe – wie immer – Ihr Verbindungsmann. Manzo ist vor drei Stunden abgeflogen. Er wartet auf Sie bei Agent MA-23. Das Boot ist klar. Wir haben soeben einen Test unternommen. Die telepathische Verbindung zwischen Kiny und Manzo klappt einwandfrei, obwohl er sechshundert Meilen entfernt und tausend Meter unter der Wasseroberfläche war. MA-23 ist dafür extra auf größere Tiefe gegangen.«
Ich nickte beeindruckt. Mein Blick fiel auf das Mädchen mit dem schmalen Gesicht. Kiny war für ihr Alter körperlich unterentwickelt. Man hätte sie höchstens auf sieben oder acht Jahre geschätzt. Nachdenklich sah sie mich an. In ihrem Blick lag ein nicht klar zu identifizierender Ausdruck, der in einem rätselhaften Wissen zu gipfeln schien.
»MA-23!« sagte sie leise. »O ja, das ist der kleine Mann, dem man die Seele genommen hat. In seinem Hirn ist eine Nervenbahn durchtrennt. Deshalb kann man ihn nicht mehr hypnotisieren oder mit Rauschmitteln beeinflussen. Er ist tot. Sie sind auch tot, Sir.«
Sie war plötzlich sehr ernst geworden.
Für ihre Begriffe waren MA-23 und ich tot. Sie meinte das allerdings in übertragenem Sinn, da sie trotz ihrer parapsychischen Begabung nicht fähig war, in unser Bewußtsein einzudringen und unsere Gedankenimpulse klar zu erfassen.
MA-23 und ich waren durch eine Hölle gegangen, als uns der beste Chirurg der westlichen Welt eine Nervenfaser im
Weitere Kostenlose Bücher