Höllen-Mädchen
Frage stellen wollte. Ich ließ die junge Frau nur der Form halber die Aufgaben lösen. Sie wollte wissen, was sie mit den drei Kolibris machen solle, derer sie sich angenommen hatte. Sterrn mußte sich von ihnen trennen, weil ihre Familie den ständigen Gesang der Vögel nicht länger ertragen wollte. Doch sie konnte die drei Tierchen nicht einfach im Dschungel aussetzen, zumal sie ihr immer wieder zuflogen. Wo konnte sie die Vögel zurücklassen, daß sie glücklich waren und ihr nicht mehr folgten?
War ihr die Antwort tatsächlich soviel wert, daß sie da eine einjährige Dienstzeit auf sich nahm? Ja, das war wohl so. Die Vögel waren ihr wirklich ans Herz gewachsen.
Ich ging mit Sterrn und den Kolibris in den abgelegen kleinen Rosengarten. Dort standen magische, rote Rosen die aus einer vergessenen Zeit stammten. Sie blühten das ganze Jahr und dufteten süßlich. Im Wechsel der Jahreszeiten wuchsen außerdem noch andere, sehr hübsche Blumen im Rosengarten. Die Kolibris fühlten sich ausgesprochen wohl; sie schwebten über den Rosen und summten eine hübsche Melodie. »Sie werden es hier gut haben«, sagte ich »Hier gibt es genug, um sie zu ernähren und glücklich zu machen.«
»Oh, vielen Dank!« sagte die junge Frau. »Was muß ich dafür tun?«
»Wie gut kannst du Socken stopfen?«
Sterrn war nicht besonders geübt darin, aber sie lernte schnell. Der Sockenberg schrumpfte. Sie bereitete mir auch die Mahlzeiten, was mir recht war, zumal ich aus Vergeßlichkeit oft tagelang nichts aß und daran erinnert werden mußte. In meinem Alter mußte ich mehr auf die Gesundheit achten.
Die drei Kolibris leisteten einander Gesellschaft. Sie hießen Hermann, Helene und Hektor und liebten es – zum Entzücken aller Zuhörer –, dreistimmig zu singen. Die Blumen schienen das ebenfalls zu genießen. Fast hatte ich Schuldgefühle, daß ich Sterrn zu einem Jahresdienst verpflichtet hatte, obwohl sie mir mit diesen drei Vögeln eine echte Freude bereitet hatte. Doch ich unternahm nichts, denn wer hätte sonst meine Socken stopfen sollen?
Bislang hatte ich es als Bürde empfunden, Fragen zu beantworten, weil diese Aufgabe mich von meinen Studien abhielt. Heute aber freute ich mich auf diese Besuche, weil sie mich von meiner Einsamkeit ablenkten. Je schwieriger ein Problem war, um so mehr interessierte es mich.
Ein Fall verblüffte mich. Es handelte sich dabei um einen Zentauren, der zwiespältige Empfindungen hatte. Er hieß Zwie-Spalt. Er hatte das Gefühl, als ob er sich in zwei Persönlichkeiten spaltete. Ich untersuchte ihn gründlich. Er schien normal zu sein. Was nun? Es hätte einen schlechten Eindruck gemacht, wenn ich keine Antwort gewußt hätte; schließlich mußte ich meinen guten Ruf wahren, wie gering er auch sein mochte. Was stimmte mit diesem Wesen nicht? Bildete es sich alles nur ein, was zumindest bei Mundaniern häufiger vorkommen soll?
Apropos Mundanier. Ich versuchte noch etwas anderes. Ich nahm Zwie-Spalt mit zum Schild und lotste uns mit einem Zauberspruch hindurch. Es war kaum zu glauben – sofort, nachdem der Zentaur den Einflußbereich der Magie Xanths verlassen hatte, teilte er sich in seine beiden Bestandteile, nämlich in einen Menschen und ein Pferd. Das also war der Grund, warum er sich so zerrissen gefühlt hatte! Sein Talent bestand darin, jenseits magischer Zonen diese beiden verschiedenen Körper herauszubilden.
In Xanth konnte er das unglücklicherweise nicht. Er stand nun vor der Wahl, entweder als Doppelexistenz in Mundania oder in einem einzigen Zentaurenkörper in Xanth zu leben. Darüber dachte er nach, während er bei mir den Jahresdienst versah.
Ein weiterer Fall war interessant, weil es sich um eine bekannte Persönlichkeit handelte. Es war Trojan oder der Hengst der Finsternis, anderswo bekannt unter dem Namen Nachthengst. Er herrschte über das Reich der schlechten Träume, das man nur durch einen Hypnokürbis betreten konnte. Er besuchte mich in einem Traum, weil er sich außerhalb des Hynokürbisses nicht wohlfühlte. Er stellte eine berechtigte Frage: Was wäre ein angemessen schlechter Traum für Schriftsteller, die über das Reich der Träume schreiben? Schlechte Träume beeindruckten solche Leute überhaupt nicht, weil sie selbst ununterbrochen schlechte Geschichten erfanden. Sie waren beinahe schon immun. Man durfte ihnen einfach nicht erlauben, sich in das Reich der Träume einzumischen, weil das die Macht der Träume verwässerte.
Während ich über das
Weitere Kostenlose Bücher