Höllen-Mädchen
Allmorgendlich angewendet, hätte sie den ganzen Tag vor ihrem Quälgeist Ruhe. Das sei genau das Richtige, frohlockte sie, und war offensichtlich sehr zufrieden damit.
Dann aber stellte sich heraus, daß es keinen nützlichen Dienst gab, den sie mir auch nur einen Tag lang hätte erweisen können, geschweige denn ein ganzes Jahr. Es gab schon jemanden, der mir die Mahlzeiten zubereitete, und jemand anderen, der meine Strümpfe stopfte. Wieder ein anderer kümmerte sich um eine angemessene Sammlung von Prüfungsaufgaben für Personen, die mit einer Frage zum Schloß kommen würden. Dennoch wollte ich die Nymphe nicht ohne Gegenleistung entlassen – das hätte nur Unfrieden gestiftet. Doch genausowenig behagte es mir, wenn sie sich im Schloß herumtrieb und gar nichts tat. Was sollte ich also unternehmen?
Ich befragte den magischen Spiegel. Mittlerweile hatte ich mir schon mehrmals einen neuen besorgt, denn alte Spiegel neigten dazu, mit der Zeit unzuverlässig zu werden, so daß man sie aussondern mußte. Mein Spiegel zeigte mir lediglich einen Cherub, der sich vor Lachen den Bauch hielt. Was sollte ich denn davon halten? Das Problem mit neuen Spiegeln lag darin, daß sie die Angewohnheit hatten, allzu helle zu sein und ihr Wissen auf eine Art zum Ausdruck zu bringen, die ich nicht in allen Fällen befürworten mochte. Dennoch war ein zu heller Spiegel immer noch besser als ein zu stumpfer.
Daher mußte ich etwas mir persönlich sehr Unangenehmes tun: Ich erklärte der Nymphe, daß ich keine Verwendung für sie hätte und daß es ihr freistände, fortzugehen. Allerdings gab ich ihr die Bitte mit auf den Weg, diese Vergünstigung nicht im ganzen Land herumzuerzählen, denn andere könnten sich über die ungleiche Behandlung beschweren. Überraschenderweise lehnte sie ab. Sie hatte ihre Antwort erhalten und bestand darauf, den üblichen Preis dafür zu entrichten. Bevor nicht ein Jahr vorüber war, sah ich keine Möglichkeit, sie zum Aufbruch zu bewegen.
Gerade das hatte ich nicht beabsichtigt, aber ich konnte kaum etwas dagegen unternehmen. Also wies ich ihr eine Kammer zu und hoffte, daß sich noch eine Gelegenheit ergab.
Als ich mich noch in derselben Nacht, nachdem ich meine tagtäglichen Forschungsarbeiten abgeschlossen hatte, auf mein hartes, kaltes und einsames Strohlager zum Schlafen zurückziehen wollte, fand ich es belegt. Es war die Nymphe. »Ich glaube, nun habe ich doch etwas gefunden, das ich für dich tun könnte, Guter Magier«, lächelte sie, umarmte mich, küßte mich und legte sich mit mir nieder. Irgendwie war mein Strohlager plötzlich nicht mehr hart, kalt und einsam.
Ich hatte ganz vergessen, wozu es Nymphen überhaupt gab. Aber im Laufe des Jahres erinnerte ich mich wieder daran. Ein Mann konnte den Storch nicht mit einer gewöhnlichen Nymphe herbeirufen, weil Nymphen diesen Ruf nicht aussandten – er konnte sich nur um die heldenhafte Aufgabe der Nachahmung bemühen. Doch die Nymphe Juwel war keine gewöhnliche Nymphe. Sie hatte eine Seele und vermochte all das zu tun, wozu eine normale Frau in der Lage war. Die gewöhnlichen Nymphen hingegen waren für die folgenlosen Freuden geschaffen und wurden daher von den Störchen nicht beachtet. Wie konnte eine solche Nymphe zuverlässig ein Baby betreuen, wenn sie sich von einem Tag zum anderen an nichts mehr erinnerte? Die Nymphe Juwel war jedenfalls auch nicht an einer Heirat interessiert, sondern sie wollte lediglich ihren Dienst ableisten. Ich muß zugeben, daß ich damit sehr zufrieden war. Ehrlich, als ihr Dienstjahr eines Morgens vorüber war, bedauerte ich zutiefst, daß sie fortging.
Seitdem hatte ich keinen Einwand, wenn ein ähnliches Geschöpf diesen Weg des Dienens wählte. Ich wußte jetzt, was meinem Leben gefehlt hatte – eine Frau. Doch wer wollte schon einen über hundert Jahre alten Gnom von einem Mann heiraten?
Im Jahre 1054, elf Jahre nach der ersten Begegnung mit der Nymphe, tauchte wieder eine Gorgone mit einer Frage auf. Sie war eine üppig gebaute Frau von 29 Jahren und in meinen Augen das aufregendste Geschöpf, das man sich vorstellen konnte. Aber selbstverständlich hatte ich nicht die Absicht, ihr das zu sagen. Hier ging es ums Geschäft.
Natürlich hatten wir einige Prüfungsaufgaben in der Schublade, aber wenn es mir möglich war, schnitt ich sie individuell auf die jeweilige Person zu. Manchmal waren es auch Aufgaben, die für jeden galten, der in das Schloß gelangen wollte. So besaßen wir ein Nebelhorn,
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