Höllenfracht
»Vielleicht hast du ja recht.
Vielleicht brauchst du auch meinen Rat nicht. Aber schließlich sind wir Freunde, oder? Und das gibt mir sehr wohl das Recht, es dir zu sagen, wenn ich glaube, daß du einen Fehler machst. Und ich glaube, du machst einen Fehler, sogar einen sehr großen, falls du nicht mit beiden Händen zugreifst, wenn dir die hohen Jungs da oben etwas hinhalten.«
McLanahan seufzte und schüttelte den Kopf. »So einfach ist das auch nicht, Dave. Das weißt du ganz genau. Meine Mutter ...
Catherine ... die sind doch alle beide gegen diese ganze Fliegerei.
Schon lange. Seit mein Vater gestorben ist, mußte meine Mutter doch mächtig rudern, um mit der Kneipe zurechtzukommen. Ich mußte mich darum kümmern. Und Catherine - na ja, du kennst sie doch. Ihre Vorstellungen vom guten Leben haben wenig damit zu tun, die Frau eines Air-Force-Burschen zu sein. Sie löchert mich doch ständig, ich soll das alles aufgeben und ins Geschäftsleben eintreten. Und seit einiger Zeit leuchtet es mir fast ein.«
»Ach, Scheiße, Mensch«, sagte Luger. »Das glaubst du doch selber nicht. Das ist doch Kacke, Mann. Genau hier in Ford bist du am besten, und das weißt du ganz genau. Verdammt, du bist der beste Navigator im ganzen SAC. Und was bist du im Zivilleben? Einer von tausend Kerlen, die sich am Ersten ihr Gehalt abholen, aus.« Luger schüttelte den Kopf, »Das bist du einfach nicht, Pat. Und du kannst auch nicht so tun, als wüßtest du das nicht selbst am besten.«
McLanahan blickte über den Flugplatz, auf dem eben eine B-52 zur Startbahn rollte, und wandte sich dann wieder zu Luger.
»Manchmal«, sagte er, »denke ich sehr wohl, daß es vielleicht gar nicht schlecht wäre, wieder Zivilist zu sein. Zumindest wäre das was Wirkliches. Es würde etwas passieren.
Was man täte, hätte einen wirklichen Effekt. Hier bekommt man zuweilen das Gefühl, das ganze Leben bestehe nur aus Simulieren, Üben und Trainieren, aus einem endlosen Als-Ob.« Er dachte eine Weile nach. »So wie diese Trainingsstunde eben. Man wird doch schizo, Mann. Der eine Teil von dir sieht zwar durchaus, was es soll, der andere aber sieht immer nur, daß es letzten Endes nur ein Spiel ist.«
»Jedenfalls ist es ein Spiel, das dir eines Tages mal das Leben retten könnte. Aber wem erzähle ich das schließlich.«
»Ja, sicher, Dave.« McLanahan deutete auf seinen Wagen. »Hör zu ... ich muß weg... Bis morgen, okay?«
Luger nickte. Er wartete, bis McLanahan an seinem Wagen war, und rief ihm dann noch nach: »He, Muck!«
McLanahan drehte sich um.
»Wir sind doch ein gutes Team, oder?«
McLanahan lächelte und zeigte ihm den emporgereckten Daumen.
Eine halbe Stunde später parkte McLanahan seinen Wagen vor dem »Shamrock«. Familienrestaurant und Bar. Er ging durch den Seiteneingang hinauf in seine Wohnung im zweiten Stock. Im Augenblick hatte er nicht das Bedürfnis, seiner Mutter oder seinen Geschwistern zu begegnen.
Eine Versetzung! Je mehr er darüber nachdachte, desto verwirrter wurde er. Er wußte, daß es diesmal keine Chance mehr gab, auf Besseres zu warten oder es überhaupt noch einmal zurückzustellen.
Wenn er noch einmal eine bedeutsame Versetzung ablehnte, war dies vermutlich auch das Ende seiner Karriere bei der Air Force.
Er warf seine Fliegerjacke und die Aktenmappe in den Wandschrank und ließ sich müde auf seine Schlafcouch plumpsen.
Er öffnete den Reißverschluß des Fliegeroveralls, sah sich in seiner winzigen Wohnung um und schüttelte den Kopf.
Es war klinisch sauber hier drin. Nicht, weil er selbst so übermäßig ordentlich gewesen wäre, aber seine Mutter kam jeden Tag um zehn Uhr, um aufzuräumen und sauberzumachen. Der Gedanke, ihr Sohn könne den Wunsch haben, ungestört zu bleiben, kam ihr überhaupt nicht in den Sinn.
Er stand wieder auf, warf seine Fliegerstiefel in eine Ecke des Eßzimmers und ging in die Küche. Er fand drei Sechserpacks Bier im Kühlschrank. Während er sich eine Dose öffnete, kicherte er in sich hinein. Seine Mutter war strikt dagegen, daß er irgend etwas anderes trank als Milch und Wasser, trotzdem sorgte sie stets dafür, daß Bier im Kühlschrank war. Ohne nachzusehen, wußte er auch, daß frische Handtücher im Bad hingen und sauberes Geschirr im Schrank stand.
Für einen Augenblick hatte er durchaus Schuldgefühle. Verdammt, dachte er, und was ist daran auszusetzen? Er sollte doch wohl froh und zufrieden sein, daß er bei seiner Familie wohnen konnte und sich weder
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