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Hoellentrip

Hoellentrip

Titel: Hoellentrip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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angeblich ältesten und größten Gerichtssaals in der Centre Street, Hausnummer 100, dem Strafgericht von Manhattan.
    Natürlich war Peters selbsterniedrigende Einstimmungsphase nichts anderes als reines Schauspiel. Er nannte es das Carlyle-Zickzack: Wenn sie denken, du gehst in die eine Richtung, schlage ganz schnell die andere ein.
    Angefangen bei den Gefühlen ihm gegenüber.
    Er stand in dem durch zahlreiche Zeitungsartikel und Fernsehberichte gefestigten Ruf des blutrünstigen Anwalts,
der Attila den Hunnenkönig wie einen großen, kuscheligen Teddybären aussehen ließ. Doch wenn Peter seinen wenig schmeichelhaften Ruf widerlegen und den Geschworenenkandidaten zeigen konnte, dass er in Wirklichkeit nicht das war, was sie erwarteten, waren die Grenzen aufgehoben, und ihre Gedanken ließen sich in jede x-beliebige Richtung lenken.
    Einschließlich ihrer Beurteilung, ob seine Mandanten schuldig waren oder nicht.
    Und seine Mandantin, um die es hier ging, war ein wahres Prachtstück. Candace Kincade, bekanntes Mitglied der oberen Zehntausend und frühere Moderedakteurin der Vogue, war des Mordes an ihrem Ehemann angeklagt, dem Immobilienmagnaten Arthur Kincade. Candace hatte auf die üblichen Methoden – eine Pistole, ein Messer, ein gedungener Mörder oder Gift in den Rühreiern – verzichtet und sich als Tatwaffe einen einhundertvierzigtausend Dollar teuren Mercedes SK 600 Roadster ausgesucht.
    Sie war jedoch bereit, auf einen Stapel Frauenzeitschriften zu schwören, dass sie wirklich nicht die Absicht gehabt hatte, ihren Ehemann zu überfahren. Sie hatte ihrem Arthur nur Angst einjagen, ihm eine Lektion erteilen wollen. Das Ganze war sozusagen nur als Witz gedacht. Als sie allerdings auf die Bremse treten wollte, erwischte sie zufällig das Gaspedal. »Eine seltsame, wilde Geschichte«, wie sich ein Kommentator im Fernsehen ausgedrückt hatte.
    Apropos Kommentare und Sendungen …
    Peter wollte die Geschworenen gerade mit dem nächsten Anwaltswitz erfreuen, als sich der aufstrebende Staatsanwalt erhob, dessen Drahtgestellbrille und zementgrauer dreiteiliger Anzug eher in einen Gerichtssaal in Cleveland und nicht hier nach New York gehörten.

    »Euer Ehren, ist dies ein Gerichtssaal oder die Bühne eines Improvisationstheaters?«, fragte er mit erhobenen Händen.
    Peter unterdrückte ein Lächeln. Was für ein Anfänger! Der Typ war ja noch grüner hinter den Ohren als ein Erstklässler.
    Erfahrene Anwälte schnappten nicht nach dem Köder, sondern ließen Peter die Komödie zu Ende spielen. Ansonsten war ihnen der Zorn der Geschworenen sicher, die nach stundenlanger Wartezeit das bisschen Unterhaltung genossen. Ihnen dieses harmlose Vergnügen zu rauben, konnte den Staatsanwalt nur als Reaktionär oder als Niete entlarven.
    Das führte unweigerlich dazu, dass ein paar der Kandidaten angesichts dieses Esels in seinem Dreiteiler von der Stange die Stirn runzelten.
    »Es tut mir leid, Euer Ehren«, meldete sich Peter rasch wieder zu Wort, damit der Richter auf den Einspruch nicht eingehen musste. »Und ich entschuldige mich bei der Staatsanwaltschaft für meinen Versuch, etwas locker zu sein. Ich dachte nur, nachdem diese Leute hier so lange gewartet haben, täte es ihnen gut, ein bisschen zu lachen. Gut, dann sollten wir uns vielleicht an die Arbeit machen.«
    Mit diesen Worten wandte sich Peter an die erste Kandidatin, eine junge Japanerin in Laufschuhen, die dazu ein Kleid mit Blumenmuster trug. Sie richtete sich auf ihrem Stuhl auf und straffte die Schultern.
    Bevor Peter nach ihrem Namen fragen konnte, wurde er wieder unterbrochen. Diesmal von Angelica, seiner guatemaltekischen Haushälterin. – Hä?
    Was tat Angelica hier im Gerichtssaal?
    Peter musste zweimal hinschauen, als sie sich mit ihrer
hohen Stimme von hinten meldete. »Entschuldigen Sie, entschuldigen Sie«, sagte sie. »Ich habe eine dringende Nachricht für Mr. Carlyle.«
    Sie eilte durch den Gang direkt auf Peter zu.
    »Bitte entschuldigen Sie, Euer Ehren.« Peter lächelte rasch. »Bestimmt hat dies etwas mit meiner Bewerbung beim Talentschuppen zu tun.«
    Damit erntete er den größten Lacher der zukünftigen Geschworenen. Selbst der Richter grinste.
    Doch als Peter, von den Blicken aller Anwesenden verfolgt, seine Haushälterin auf halbem Weg erreicht hatte, war sofort klar, dass das, was sie ihm ins Ohr füsterte, nichts Lustiges war.

36
    Angelicas Englisch war bescheiden und manchmal buchstäblich nicht vorhanden, doch sie schaffte es

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