Höllische Versuchung
kein großer, böser, schweigender Teufelskerl sein darf?«
Gern hätte sich Sara an diese Hoffnung geklammert, doch sie schüttelte jäh den Kopf. »Ich muss realistisch sein. Dieser Mann ist ein absoluter Einzelgänger. Deshalb ist er ja auch der Henker.« Seufzend holte sie Luft und lehnte sich zurück in die Polster: »Fahr uns zurück nach New York. Auf mich wartet dort eine Aufgabe.«
Ihre Worte waren klar und dennoch fanden ihre Finger immer wieder den Weg zu dem kleinen runden Sägeblatt in ihrer Hosentasche, strichen über die gezahnte Scheide. Es gehörte Deacon. Dieser Mann hatte sehr interessante Waffen – so wie die Pistole, die statt normaler Kugeln diese drehenden runden Teile abschossen. Hatte er diese Dinger auf dem Schrottplatz verwendet? Ihre Gedanken wanderten weiter zu Lucy.
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Wer hätte gedacht, dass ihre liebste Erinnerung an Deacon die war, wie er mit einem bösartigen Höllenvieh von Hund kuschelte?
9
Zwei Monate später betrachtete Sara sich im Spiegel: Eine ebenso elegante wie selbstbewusste Frau im trägerlosen Etuikleid schaute ihr entgegen. Ihr Haar war am Hinterkopf zu einem kunstvollen Knoten aufgesteckt und der frisch geschnittene Pony fiel schwungvoll zur Seite. So hatte sie während eines Einsatzes nie ausgesehen. Das gekonnte Make-up betonte ihre hohen Wangenknochen und brachte ihre Augen schön zur Geltung. »Ich fühle mich wie eine Mogelpackung.«
Simon schmunzelte und stellte sich hinter sie. »Aber du siehst genau nach dem aus, was du bist: eine wunderschöne, starke Frau.« Sein Blick fiel auf die Halskette. »Sehr passend.«
Um ihren Hals hing eine glänzende, gezahnte Klinge. Deacons Klinge. Sara hatte sie auf eine Silberkette gezogen. »Danke.«
»Einige der Gäste heute Abend werden dich belächeln. Für sie sind Jäger bessere Handlanger.«
»Oh, so wie für Mrs Abernathy?«, fragte sie zynisch. Mrs Abernathy war die Gastgeberin dieses Abends. »Sie hat gefragt: ›Brauchen Sie Hilfe bei der Wahl einer passenden Garderobe, Liebes?‹«
»Ganz genau.« Simon drückte ihr die Schulter. »Und jetzt möchte ich dir einmal einen Rat geben. Jedes Mal wenn einer dieser vermeintlichen Aristokraten versucht, dich schlechtzumachen, denk daran, dass du diejenige bist, die jeden Tag mit Engeln zu tun hat. Die meisten von denen würden sich schon allein beim Gedanken in die Hosen scheißen.«
Sara verschluckte sich fast. »Simon!«
»Ist doch so«, sagte er achselzuckend. »Und eines Tages wirst du vielleicht sogar mit einem Mitglied des Kaders in Kontakt treten. Ganz gleich, für wie wichtig sich diese ›bessere Gesellschaft‹ hält, wie die meisten Menschen kommen sie nicht einmal in die Nähe eines Erzengels.«
»Wenn es so weit ist, mache ich mir bestimmt auch in die Hosen«, murmelte sie.
»Nein, das wirst du nicht«, sagte er ungewöhnlich ernst. »Und was die hochstehenden Vampire angeht, so sind wir es schließlich, die sie jagen, und nicht umgekehrt.«
Sara nickte und atmete noch einmal tief durch. »Ich wünschte, uns bliebe dieses Theater heute Abend erspart.«
»Wir fürchten uns vielleicht vor den Engeln, aber anderseits fürchten sich die meisten vor uns, einschließlich vieler Vampire. Vermittle ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Überzeuge sie, dass wir keine Barbaren sind.«
»Was für ein Schmu«, sagte sie grinsend.
Simon lächelte zurück, doch war es nicht sein Gesicht, das sie gerne neben sich im Spiegel erblickt hätte. »Gut, ich bin so weit.« Zum ersten Mal sollte sie sich heute Abend als angehende Gildedirektorin allein präsentieren. Ende des Jahres würde sie dann Simon endgültig ablösen.
»Zeig’s ihnen.«
Offenbar war Sara tatsächlich die richtige Besetzung für den Direktorposten, denn sie ertrug die Party einigermaßen gut. Ellie hätte bestimmt schon mindestens fünf Leute gekillt. Lächelnd wehrte Sara eine weitere neugierige Frage ab und nahm den stetig auf sie einströmenden Klatsch und Tratsch in sich auf. Es waren alles Informationen. Jäger mussten eine Menge wissen, zum Beispiel wen ein Vampir um Hilfe angehen würde oder wer mit den Engeln sympathisierte und gegebenenfalls bereit wäre, sich über die menschlichen Gesetze hinwegzusetzen.
Nach außen hin unterschied sich Sara nicht von den Dutzend anderen gut gekleideten Frauen unter den Gästen, die mit immer neuen Gesprächspartnern belanglose Konversation machten. Mrs Abernathy hatte sie bei ihrer Ankunft freudestrahlend
Weitere Kostenlose Bücher