Hoellischer Verrat
dann nickte sie resigniert. Ich versuchte noch ein entschuldigendes Lächeln, da zerrte Jaro mich schon hinter sich her zur Tür.
»Noch mal danke, Eli, und bis bald«, rief ich.
»Gern, Nikka. Bis bald!« Etwas traurig hob sie eine Hand.
»Wo gehen wir denn hin? Mach es doch nicht so spannend, Jaro! Und weißt du, wo Mutter ist? Ich war mir sicher, sie wollte dabei sein, wenn ich meine neuen Kleider anprobiere.«
Doch mein Bruder schüttelte nur den Kopf und zerrte mich unbeirrt weiter, die Treppe hinunter und schließlich bis auf die kiesbestreute Auffahrt, wo unsere Autos parkten.
»Wir fahren jetzt aber nicht irgendwo hin, oder? Ich habe nämlich keine Zeit, ich muss zur Arbeit.«
Jaro öffnete seine Beifahrertür und bedeutete mir, Platz zu nehmen. Ich verdrehte genervt die Augen, weil er mindestens genauso dickköpfig sein konnte wie ich , und ließ mich auf das weiche Polster fallen. Gerade war auch er eingestiegen, als ein dunkler Transporter die Auffahrt heraufrollte. Er war mattgrau lackiert und schien in der hereinbrechenden Dämmerung durch seine undefinierte Farbe fast mit seiner Umgebung zu verschwimmen. Ich musste zweimal hinsehen, um seine Konturen richtig auszumachen.
»Runter«, zischte Jaro und drückte meinen Kopf in Richtung Fußraum.
»Bist du jetzt verrückt geworden? Es ist doch bloß ein Lieferant.«
Jaro löste seinen Griff von meinem Nacken. Empört funkelte ich ihn an. Sein blasses Gesicht war noch heller als sonst und in seinen Augen leuchtete etwas, das mir eine Gänsehaut über den Körper jagte.
»Warum hält der Wagen dann nicht am Lieferanteneingang seitlich vom Haus?«
Ich sah dem Fahrzeug nach und bemerkte erst jetzt, dass es nicht wie erwartet stoppte, sondern hinter dem Anwesen verschwand.
»Aber da ist doch gar nichts!«
»Doch«, erwiderte Jaro düster. »Der Eingang zum Keller.« Er begann in seiner Botentasche zu wühlen und zerrte dann ungeduldig ein paar gefaltete Bögen Papier hervor. »Aber lass mich am besten ganz von vorn beginnen.«
»Jaro, du benimmst dich wirklich merkwürdig. Eigentlich benimmt sich die ganze Familie merkwürdig. Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass ich die einzig Normale bin und …«
»Unter diesem Haus hier ist etwas, Nikka.«
Sofort hielt ich in meiner wütenden Rede inne. »Was? Wie meinst du das?«
»Du weißt, dass ich für Vaters Sicherheitsabteilung arbeite. Dort überwache ich unter anderem auch die Computeraktivitäten der Engel, soweit das bei ihrer veralteten Technik überhaupt erwähnenswert ist. Ich beschäftigte mich also gerade mit dem Sektor, in dem auch unser Haus liegt, als mir ein fremdes Internetsignal auffiel. Natürlich wusste ich sofort, dass es nicht der von mir installierte Rooter war und das kam mir mehr als spanisch vor. Also habe ich das Signal genauer untersucht, aber immer noch die Meldung bekommen, dass es direkt aus dem Haus kommt. Glaub mir, nach Feierabend habe ich hier alles abgesucht, aber keinen fremden Rooter gefunden. Am nächsten Tag habe ich mir den Grundriss des Hauses besorgt, der unauffällig war, bis ich den Geistesblitz hatte, mich in vergessene menschliche Geheimdienst-Datenbanken zu hacken. Und siehe da!« Jaro breitete einen grob gezeichneten Grundriss vor mir aus. »Plötzlich finde ich so etwas!«
»Das sieht viel größer aus als unser Keller.«
»Genau. Ich habe ein bisschen nachgeforscht und herausgefunden, dass es zu Zeiten der Menschen vom Geheimdienst genutzt wurde. Es scheint ein komplett autarkes System zu sein, mit eigener Luft-, Strom- und Wasserversorgung. Also selbst , wenn das Haus in Trümmern liegt, in diesen Räumen kann man unabhängig davon leben.«
»Du meine Güte. Wir haben all die Jahre hier gewohnt und nichts davon geahnt.«
Jaro strich sich aufgeregt eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Genau, damit kommen wir zum interessanten Teil. Diese Räume wurden bis vor Kurzem nicht genutzt. Glaubst du im Ernst, mir wäre der fremde Rooter nicht irgendwann aufgefallen?«
»Das heißt jetzt was?«
»Das bedeutet, Vater hat diese Räume auch erst kürzlich entdeckt und nutzt sie für irgendetwas, von dem der Hohe Rat nichts weiß, denn in deren Datenbank sind alle Hauptquartiere, Forschungslabore und andere regierungsgeführte Einrichtungen verzeichnet. Und dieses Haus findet sich nicht darunter.«
»Vielleicht baut er sich bloß einen Sportraum oder stellt ein paar Bücherregale auf, um ungestört lesen zu können?«
»Diese Transporter, die nur in
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