Hoellischer Verrat
Vil und die anderen sein.« Mik lehnte immer noch an der Wand. »Na, das ging ja schnell.«
Ich lauschte angespannt. »Mik?«
»Ja?«
»Es klingt aber, als wären es wesentlich mehr als …« Und dann waren die Engel auch schon da. Voraus gingen zwei hochgewachsene Gestalten mit hellblonden Haaren, beide gehüllt in silbern schimmernde Rüstungen und jede von ihnen hielt ein blau leuchtendes Flammenschwert. Dahinter folgte ein nicht enden wollender Tross an weiteren Engeln.
»O verdammt«, stieß Mik hervor. Ich hingegen war wie versteinert. Durch das Halbdunkel des Tunnels starrte ich die hellblonde Gestalt an, die die Silhouette neben sich nur um wenige Zentimeter überragte.
»Nein …« Meine Stimme war ein ersticktes Flüstern, als die beiden Anführer ihre Schwerter hoben. Mik wollte mich hinter sich schieben, doch ich wich geschickt aus, den Blick immer noch fest auf einem der vorausgehenden Engel.
»Lauf, Nikka«, bellte Mik und gab mir einen Schubs. »Ich halte sie eine Weile auf. Du musst Yaris finden!«
Das Gesicht begann , im Halbdunkel Konturen anzunehmen. Alle Luft wich mit einem Schlag aus meinen Lungen. Vertraute, attraktive Züge. Leuchtend blaue Augen. Dieser sinnliche Mund.
Levian.
Da war sie nun. Die Situation, die ich am meisten gefürchtet hatte: dass wir uns irgendwann als Feinde gegenüberstehen würden. Eine Sekunde lang wünschte ich mir, dass Mik ihm einfach den Kopf wegschießen würde, noch bevor ich ihn davon abhalten konnte. Dann müsste ich mir nicht den Vorwurf machen, dass ich versucht hatte, ihn zu retten, obwohl er mir all das angetan hatte. Unsere Blicke trafen sich. Wie eine Welle kam alles zurück, was uns jemals verbunden hatte. Diese Anziehung, diese Vertrautheit, diese Zuneigung. Wie hatte ich jemals davon ausgehen können, dass die Gefühle für ihn irgendwann sterben würden?
»Nikka! Du verschwindest jetzt, aber sofort«, brüllte Mik neben mir. Ich hingegen starrte immer noch zu Levian, als hätte ich einen Geist gesehen. Dieser war ebenfalls abrupt stehen geblieben. Die anderen Engel hinter ihm prallten unsanft gegeneinander. Mik wollte seine Waffe ziehen, doch ich reagierte blitzschnell und hielt seine Hand mit aller Kraft über dem Waffenholster fest. Ich konnte nicht zulassen, dass er Levian verletzte oder gar tötete.
»Warte!«
»Bist du jetzt verrückt geworden?«, schrie Mik mich an. Im gleichen Moment deaktivierte Levian sein Flammenschwert.
»Hey!« Erst als der zweite Anführer die Stimme erhob, bemerkte ich, dass es sich um eine Frau handelte. Ich sah genauer hin und erkannte die Ähnlichkeit, die zwischen beiden herrschte. Die junge Frau hatte die freie Hand zur Faust geballt und boxte Levian seitlich vor den Brustpanzer, als wollte sie ihn wachrütteln. »Gibt es hier ein Problem, von dem ich wissen sollte, Lev?«
»Sag mir, dass du das nicht getan hast«, richtete Levian das Wort an mich und deutete mit dem Kopf auf die Geheimtür.
»Ich weiß, dass ihr uns für Monster haltet.« Meine Stimme klang kalt, obwohl sie zitterte. »Nicht wahr, Levian?«
Miks ungläubiger Blick flog von mir zu ihm und wieder zurück. »Ihr kennt euch?«
»Das ist eine berechtigte Frage, auch wenn sie von einem seelenlosen Ungeheuer gestellt wurde«, ergänzte die hellblonde Frau.
»Vorsicht, Federvieh«, brüllte Mik.
»Vorsicht, Monster!« Sie hob drohend ihr blau leuchtendes Flammenschwert. »Seit Kurzem steht auch ihr auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten, gewöhnt euch dran!«
»Ruhe!« Levian sah erst Mik und dann seine Begleiterin eindringlich an. Ich beobachtete ihn dabei, seine Mimik, seine Gestik, sein unglaublich attraktives Aussehen. Die Rüstung stand ihm ausgezeichnet, abgesehen davon, dass er sie angelegt hatte, um meinesgleichen im Kampf zu töten. Unsere Blicke trafen sich erneut und wie ein Film jagten die Erinnerungen vor meinem geistigen Auge entlang. Der Moment, in dem ich ihn das erste Mal gesehen hatte, sein Kampf gegen diese heimtückische Krankheit, unsere gemeinsamen Stunden und die einzige leidenschaftliche Nacht, die alles zwischen uns verändert hatte. Meine Wut, meine Enttäuschung über seinen Verrat mischten sich mit den so tief vergrabenen Gefühlen für ihn zu einem explosiven Gemisch.
»Nikka …« Seine Stimme wurde weich.
»Sprich nicht mit mir!« Ich konnte das nicht! Plötzlich war er wieder hier, vor mir und wir standen uns als Feinde gegenüber. Mit einer ungelenken Bewegung tastete ich nach dem
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