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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Staubsauger über die Teppiche.
    Wie still es im Haus war, registrierte er erst, als er die Tür hinter sich zudrückte. Der geschlossenen Küchentür schenkte er keine Beachtung. Wenn er heimkam, führte ihn sein erster Weg nie in die Küche. Und wenn Patrizia sich dort aufgehalten hätte, wäre erstens die Tür offen gewesen, und zweitens hätte sie seine Ankunft durchs Küchenfenster gesehen und ihn in der Diele mit einem Kuss empfangen, wie sie es immer tat.
    Er ging zum Wohnzimmer hinüber. Der Anblick des Staubsaugers mitten im Raum bereitete ihm körperliches Unbehagen. Wenn sie so schnell aufgebrochen war, dass sie sich nicht mal die Zeit genommen hatte, das Gerät wegzuräumen und die Haustür hinter sich abzuschließen, waren Pauls Herzbeschwerden vom Morgen vielleicht doch ernster Natur gewesen. Möglicherweise hatte ein Notarzt angerufen oder eine Krankenschwester. Ein Anruf ihres Vaters hätte sie jedenfalls nicht veranlasst, derart überhastet loszustürmen.
    Noch während er das dachte, registrierte er das Blumengesteck auf dem Couchtisch, mit dem sie gestern Nachmittag bei seiner Heimkehr beschäftigt gewesen war, eine Schale mit Iris und Margeriten. Die von einem der Blütenköpfe abgezupften Blätter lagen auf der Tischplatte wie kleine Papierschnipsel.
    Ein befremdlicher Anblick, der ihm unwillkürlich das Bild von zwei Fingern vor das geistige Auge schob, die ein Blütenblatt nach dem anderen abrissen.
Sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich
… Die Assoziation war lächerlich, er rief sich zur Ordnung und warf einen Blick ins Esszimmer. Dort sah es aus wie jeden Nachmittag. Im Garten war sie auch nicht, wie er mit einem Blick durch das breite Terrassenfenster feststellte. Aber es nieselte ja auch schon seit Mittag.
    Es widerstrebte ihm, laut nach ihr zu rufen. Er tat es trotzdem, weil die vage Möglichkeit bestand, dass sie sich im ersten Stock aufhielt und ihn nicht hatte hereinkommen hören. Vielleicht wollte sie sich nach dem Aufenthalt bei ihrem Vater zuerst frisch machen, ein anderes Shirt anziehen, mal schnell mit der Bürste durchs Haar, einem Fettstift über die Lippen, einen Hauch Parfüm in die Halsbeuge tupfen. Und danach erst den Staubsauger wegräumen.
    Und wieso hörte er nichts? Keine Antwort, kein Wasserrauschen, keine Schritte und keins von den anderen Geräuschen, die entstanden, wenn Patrizia oben hantierte.
    Sie war wohl noch bei Paul, entweder in Frechen-Königsdorf oder in einem Krankenhaus. Wahrscheinlich hatte sie die Blütenblätter der Margerite abgezupft, während sie auf ein Taxi wartete.
Papa stirbt, Papa stirbt nicht, Papa stirbt …
In so einer Situation dachte man nicht daran, den Staubsauger wegzuräumen.
    Edmund ging zur Küche hinüber, weil sonst nirgendwo eine Nachricht von ihr lag. Als er die Tür öffnete, beschleunigte sich sein Herzschlag so unvermittelt, dass er sich reflexartig an die Brust fasste. Es sah so anders aus, so ganz anders, als er es von Patrizia gewohnt war.
    Benutztes Geschirr auf dem Tisch. Zwei Tassen mit den schmierigen Resten von Kaffee. Ein Cognacschwenker und einer von den Blumenuntersetzern aus Porzellan mit zwei Zigarettenkippen darauf und einem Fetzen Papier darunter. Filterlose Zigaretten, sonst hätte er womöglich noch in Betracht gezogen, Dorothea sei auf einen Kaffee hier gewesen und hätte einen Cognac dazu verlangt, um das schlechte Gewissen hinunterzuspülen, weil sie Paul morgens nicht ernst genommen hatte. Und dass Patrizia zusammen mit ihrer Schwester hastig aufgebrochen war …
    Den Fetzen Papier, der mit einer Ecke unter den Rand des Blumenuntersetzers geklemmt war, konnte Edmund nicht sofort genauer betrachten. Dabei hatte er auf Anhieb gesehen, um was es sich handelte. Um ein Stück aus einer alten Tageszeitung, sauber ausgeschnitten.

    Ihre Absicht, einen Gang zur Toilette vorzutäuschen und die Treppe hinaufzuschleichen, setzte Patrizia nicht um, weil sie kein Risiko eingehen wollte. Den halben Nachmittag tat sie nichts weiter, als Goldkörner zu schmelzen, ohne von Heiko gestört zu werden. Den Fettwanst bekam sie auch nicht zu Gesicht. Die Arbeit ging ihr leicht von der Hand, wurde fast schon mechanisch erledigt und ließ den Kopf frei für beruhigende Gedanken und Bilder.
    Ed bei der Stahltür, wie er die Arme nach ihr ausstreckte, sie an sich zog und sagte: «Es ist vorbei, Patrizia, es ist alles gut. Du warst großartig. Ohne deine Hinweise hätten wir das nicht geschafft.» Dann sagte er noch,

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