Hörig (German Edition)
garantiert getan hätte. Er wollte nicht einmal wissen, wie sie sich gefühlt, ob sie Angst verspürt hätte.
Mit immer noch geschlossenen Augen und der Spur eines Lächelns um den Mund fragte er nur: «Siehst du mich so, als unbeteiligten Zuschauer?»
«Du warst nicht unbeteiligt», widersprach sie. «Du hast geweint.»
«Warum habe ich geweint?» Nicht einmal bei dieser Frage öffnete er die Augen, lag immer noch da, als sei die Antwort nur halb so wichtig, als lausche er mit einem Ohr der Musik. Neil Diamond war inzwischen bei «Sweet Caroline».
«Vielleicht habe ich dir leidgetan», sagte sie. «Ich weiß es nicht.»
«Du musst es wissen», sagte Eddi. «Es war dein Traum. Also: Warum habe ich geweint?»
Natürlich wusste sie es. Im Traum zumindest hatte sie es gewusst. «Du wolltest nicht, dass Heiko mit mir schläft und mich anschließend mitnimmt», sagte sie. «Aber du konntest es auch nicht verhindern. Wahrscheinlich hat er dich angeschaut, als er hereinkam. Danach warst du völlig hilflos. So ist das eben, wenn er dich ansieht. Du wirst ganz weich und schwach im Innern. Es ist ein schönes Gefühl, wirklich, es ist so ähnlich wie …»
Da hatte Eddi die Augen aufgeschlagen, den linken Arm unter seinem Nacken herausgezogen und in ihren Nacken gelegt. Mit der rechten Hand ihr Kleid geöffnet. Kein Wort mehr gesagt, nur mit einer fast verbissenen Wut den Stoff von ihren Brüsten gezerrt, den Rock hochgeschoben.
Er hatte sie so ähnlich genommen, wie es im Traum geschehen war, hart, schnell, besitzergreifend. Und zwischen keuchenden Atemzügen sagte er: «Ich war an der Bar festgebunden, sonst hätte ich ihn zur Tür hinausgeprügelt. Ich hätte ihm seine magischen Augen grün und blau geschlagen. Glaub nur nicht, dass ich tatenlos zusehen würde, wenn er dir noch einmal zu nahe käme.»
«Was wirst du tun, wenn er irgendwann zurückkommt und mich zurückhaben will?», hatte sie gefragt.
Und Eddi hatte sich aufgerichtet, wieder ganz und gar hinter seinem Selbstbewusstsein verborgen, Ed nach vorne geschoben, mit seinem beruhigenden Lächeln auf sie hinuntergeschaut und sachte den Kopf geschüttelt. «Er kommt nicht zurück, Patrizia. Warum sollte er? Er hat von dir bekommen, was er wollte. Mehr wollte er nicht. Er hatte an deiner Person so viel Interesse wie an einem Wetterbericht vom vergangenen Oktober. Vergiss das nie.»
Nun, in einem Punkt hatte Ed sich geirrt. Aber wie hätte er voraussehen sollen, dass Heiko sie noch einmal brauchte, um die Beute aus dem Raubüberfall umzuarbeiten? Wenn Ed ihre Botschaft auf dem Rand des Zeitungsausschnitts las, musste er nur eins und eins zusammenzählen und einen Blick in den Schrank werfen.
Nach seiner Mittagspause hatte Edmund nur noch zwei Termine, zwischen denen er erneut zum Telefonhörer griff und daheim anrief, natürlich wieder ohne Erfolg. Danach war er überzeugt, dass Patrizia sich bei ihrem Vater aufhielt und er daheim die Nachricht vorfinden würde, sie doch bitte schnellstmöglich abzuholen.
Der Gedanke, sich mit einem Anruf bei seinem Schwiegervater zu vergewissern, kam ihm nicht. Ihm stand einfach nicht der Sinn danach, sich auch noch das Klagelied eines vereinsamten Tyrannen mit psychosomatischen Herzbeschwerden anzuhören. Klagelieder hörte er von seinen Patienten genug.
Wenige Minuten nach drei verließ er die Praxis in der Nähe des Rudolfplatzes, kam ziemlich genau um halb vier bei seinem Haus in Pulheim an und fuhr den Wagen nur in die Garageneinfahrt, weil er davon ausging, gleich noch einmal loszumüssen.
Auf dem Weg zur Haustür fächerte er die Schlüssel in der Hand, bis er den richtigen zwischen den Fingern hielt. Er steckte ihn ein, drehte ihn – nur die halbe Drehung, die eine nicht verschlossene Tür erforderte. Normalerweise ein sicheres Zeichen für Patrizias Anwesenheit. Wenn sie das Haus verließ, schloss sie immer hinter sich ab. Deshalb nahm er im ersten Moment an, sie sei in der Zwischenzeit nach Hause gekommen. Vielleicht hatte Dorothea sich nach seinem Anruf erbarmt, sie unter einem Vorwand bei Paul abgeholt und zurückgebracht.
Er betrat die Diele und erwartete, Patrizia irgendwo im Erdgeschoss hantieren zu sehen. Wenn sie stundenlang bei ihrem Vater gewesen war, hatte sie garantiert ihr tägliches Pensum an Hausarbeit noch nicht geschafft. Staub wischen in Wohn- oder Esszimmer mit Musik im Hintergrund, eine der alten Aufnahmen von Neil Diamond, Roy Orbison oder Vaya Con Dios. Oder noch mal schnell mit dem
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