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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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nach der anderen. «Beruhigt?», murmelte er zwischen Mittel- und Ringfinger.
    Als sie nickte, seufzte er: «Ach, Püppi, hast du wirklich gedacht, ich hätt’ den beiden Alten was getan? Sei ehrlich, du hast es gedacht. Mir kannst du nix vormachen, ich kenn dich doch.»
    Er sprach so leise, dass sie ihn kaum verstand, legte sich einen ihrer Finger an die Lippen und bedeutete ihr damit, nur ja nicht zu antworten. Auch dabei lächelte er noch. Oben rauschte die Wasserspülung der Toilette. Der Dicke sagte noch ein paar läppische Sätze über saubere Beißerchen und Antifaltencreme. Antwort darauf bekam er nicht mehr. Auch Alwine Retling hatte ihren Stolz.
    Sie hörte wieder das Knarren der Bodendielen. Im Geist sah sie Alwine Retling über das Flurstück zurück zum Schlafzimmer gehen. Sah den Dicken die Tür schließen, den Schlüssel umdrehen. Und wie er ihn sich zurück in die Hosentasche steckte. Zu hören war nichts davon. Nur seine Schritte, als er dann wieder das Flurstück überquerte und die Treppe herunterkam.
    Kurz darauf erschien er in der Küche. Die beiden leeren Teller mit den Löffeln darin in einer Hand, das Geschirrtuch trug er nun über dem Arm wie ein Kellner. Und auf dem feisten roten Gesicht trug er ein zufriedenes Grinsen.
    «Diesmal waren sie artig und haben brav aufgegessen», sagte er zu Heiko und stellte die Teller ebenfalls in die Spüle. «Was dagegen, wenn ich mir jetzt die Kiste anmache?»
    Als Heiko den Kopf schüttelte, ging der Dicke ins Wohnzimmer.
    «Wir sollten auch wieder, Püppi», meinte Heiko, ließ ihre Hand los und erhob sich. Sie stand ebenfalls auf, folgte ihm in die Diele und die Kellertreppe hinunter. Die Chance auf einen Blick aus dem Toilettenfenster hatte sie verpasst, wusste aber nicht, ob sie das bedauern sollte. Wenn die Polizisten draußen sie gesehen hätten, wären sie vielleicht sofort aktiv geworden, während der Fettwanst noch oben im Schlafzimmer gewesen war.
    Hinter Heiko betrat sie die Werkstatt. Er ging zur Esse und deutete auf die Goldbleche. «Ein paar Tage», sagte er dabei. Es klang nicht ungewöhnlich oder bedrohlich, trotzdem begann sie zu frösteln. «Bist du ganz sicher, dass du in ein paar Tagen etwas Vernünftiges zustande bringst?»
    «Ich weiß es nicht, Heiko», gestand sie. «Vielleicht brauche ich eine Woche oder zwei. Das kann ich dir wirklich nicht im Voraus sagen. Ich werde jetzt noch eine Zeichnung anfertigen. Morgen früh kann ich dann mit dem Auswalzen beginnen.»
    «Wenn ich dir bei irgendwas helfen kann …», bot er an, sprach aber den Satz nicht zu Ende, sondern erklärte stattdessen: «Zwei Wochen ist unmöglich. Die kriegen ’nen Koller da oben, wenn die so lange im Schlafzimmer hocken müssen. Das ist dir doch klar, oder?»
    Sie nickte nur. Er nahm das Tablett mit den angebissenen Leberwurstbroten vom Arbeitstisch und ging damit zur Tür.
    Im Hinausgehen sagte er: «Ich bring dir noch die Decke und was zum Zeichnen, dann lassen wir’s gut sein für heute. Ich bin echt geschafft, du wahrscheinlich auch. Und ich will nicht, dass Peter bis in die Puppen vor der Flimmerkiste hockt. Der Rollladen vor der Terrassentür klemmt, das Licht könnte draußen einer sehen.»
    Es war nicht einmal neun. Ihr graute vor der Nacht. Wenn sie nur daran dachte, was alles geschehen konnte. Die Polizei wartete garantiert ab, bis sie der Meinung waren, dass nun alle im Haus schliefen. Aber vielleicht wechselten sich Heiko und der Dicke ab, ganz bestimmt taten sie das. Einer schlief, einer hielt Wache, passte auf, dass die Retlings nicht plötzlich das Fenster ihres Schlafzimmers öffneten und um Hilfe riefen. Und dass sie brav in der Werkstatt blieb.
    Und wenn Heiko im ersten Stock schlief … Wenn der Dicke dann herunterkam und sie bedrängte. Wenn die Polizei über Richtmikrophone mithörte und meinte, es sei Gefahr im Verzug. Wenn sie das Haus stürmten, ohne zu ahnen, dass Heiko in unmittelbarer Nähe des Schlafzimmers … wenn … Da baute sich ein wahres Horrorszenario vor ihrem inneren Auge auf.
    Ob sie Heiko, wenn er die Decke und etwas zum Zeichnen brachte, bitten sollte, die Werkstatttür wieder hinter sich abzuschließen? Lieber nicht. Nicht eingesperrt sein, nicht blind und taub für alles, was im Haus vorging.
    Ihre Gedanken drehten sich wie ein irrwitziger Kreisel nur um den einen Punkt. Nicht um die Polizei, auch nicht um Heiko, nur um den Dicken. Und plötzlich sah sie den Teller auf dem Tisch stehen. Den dritten Teller, den der

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