Hoffnung am Horizont (German Edition)
verwundbarer machte: „Ich habe sonst niemanden.“
Als er sich wieder zu ihr umdrehte, lagen Sorgenfalten auf seiner Stirn. Als er langsam begriff, was sie dachte, wurden seine Gesichtszüge weicher. „Ich werde dich nicht verlassen, Annabelle.“ Seine Stimme war unerwartet sanft. „Ich habe nur gerade daran gedacht, was dir diese Männer angetan haben …“ Er schaute den Gehweg unter seinen Füßen an und hob dann wieder den Kopf. „Egal, was ich tun muss … du brauchst nur ein Wort zu sagen, dann mache ich es.“
Annabelle hatte eine tiefere Bedeutung hinter seinen Worten erahnt, war aber nicht weiter darauf eingegangen. Und er auch nicht.
Während sie über all das nachdachte, behielt sie das Gebäude im Auge, als könnte Matthew jeden Augenblick mit Sadie an der Tür auftauchen. Aber sie wusste, dass das nicht der Fall wäre. Es würde viel länger als nur ein paar Minuten dauern. Falls ihr Plan überhaupt aufginge, käme er nicht durch die Vordertür heraus. Sie betete, dass er sich an alles erinnerte, was sie ihm gesagt hatte, und dass Gott ihm den Rest ins Ohr flüstern würde, falls das nötig wäre.
Es fiel ihr schwer, stillzustehen, und sie beschloss schließlich, zum Wagen zurückzugehen und dort auf ihn zu warten. Sie überquerte die Straße und widerstand dem Drang, so nahe am Saloon vorbeizugehen, dass sie durch das Fenster in die Spielhalle schauen konnte.
„Mrs McCutchens.“
Der Klang der Stimme ließ Annabelle zusammenzucken. Sie fuhr herum, konnte aber nur den Schatten eines Mannes sehen, der keine zehn Schritte von ihr entfernt stand. Sie kniff die Augen zusammen, als könnte ihr das helfen, ihn in der Dunkelheit zu erkennen. „Wer ist da?“
Als er näher kam, wich sie einige Schritte zurück und hielt Abstand zu ihm.
„Ich tue Ihnen nichts, Madam. Ich habe nur gewartet, um mit Ihnen allein zu sprechen.“
Als sie den texanischen Akzent in seiner Stimme hörte, wurde ihre Kehle trocken. „Mr Caldwell?“
„Ja, Madam. Sie haben ein gutes Gedächtnis.“ Er trat näher.
Sie stand mit dem Rücken zur Spielhalle. Ihr Gesicht lag also im Schatten. Seines wurde hingegen von dem Licht, das aus der offenen Tür fiel, leicht beleuchtet.
„Ich bin hier, um mit Ihnen über den Mann zu sprechen, mit dem Sie unterwegs sind.“
Sie nickte langsam und ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren. „Sie sprechen von … meinem Mann.“ Sie hasste diese Lüge. „Was haben Sie mit Jonathan zu tun?“
„Mit ihm habe ich nichts zu tun, Madam.“ Caldwell zuckte mit keiner Wimper. „Jonathan McCutchens ist in Willow Springs im Colorado-Territorium beerdigt. Ich bin hier, um mit Ihnen über Matthew Taylor zu sprechen.“
Plötzlich bekam sie keine Luft mehr. „Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen.“ Ihre Antwort klang auch in ihren eigenen Ohren angespannt und wenig überzeugend.
Rigdon Caldwell kniff die Augen zusammen.
Ihm war anzusehen, dass er ihr nicht glaubte. Daraus konnte sie ihm keinen Vorwurf machen.
Sie betete, wusste aber nicht, worum sie Gott bitten sollte. Sie wusste nur, dass sie in diesem Moment Gottes Gegenwart deutlicher spürte als noch vor wenigen Sekunden. Sie schämte sich, weil sie versucht hatte, sich mit Lügen zu retten, aber – oh Gott, bitte vergib mir – sie würde es wieder tun, wenn sie damit Matthew und Sadie schützen könnte. Welche andere Wahl blieb ihr?
Nur das, was wir für Gott tun, hat Bestand.
Sie blinzelte, als ihr dieser Satz in den Sinn kam. Wie lange hatte sie nicht mehr daran gedacht?
„Mrs McCutchens … Annabelle.“ Caldwells Stimme klang ehrlich und aufrichtig. „Ich weiß, dass der Mann, mit dem Sie unterwegs sind, nicht Ihr Mann ist. Er heißt Matthew Haymen Taylor, und Sie wissen, wie ich annehme, bereits, dass er wegen seiner Spielschulden gesucht wird. Ich werde dafür bezahlt, dass ich ihn nach San Antonio zurückbringe, wo er die Gelegenheit bekommt, mit seinem Ankläger zu sprechen, und falls nötig, vor Gericht gestellt wird.“
Als sie laut und deutlich die Anklagen gegen Matthew hörte, konnte sie mit einem Mal wieder klarer denken. „Mr Caldwell, wussten Sie damals in Rutherford über uns Bescheid?“
„Nein, Madam. Aber Ihre Reaktion auf die Steckbriefe im Postamt hat Sie verraten.“
Ihr wurde heiß und ihre Wangen begannen zu glühen, als sie diesen Moment neu durchlebte. Sie schüttelte den Kopf. „Er ist ein guter Mann, Mr Caldwell. Er hat nur einige Fehler gemacht.“
„Das glaube ich Ihnen gern,
Weitere Kostenlose Bücher