Hoffnung am Horizont (German Edition)
„Irgendwie weiß ich, dass er das lustig fände.“
Bei der Erwähnung von Jonathan wurden sie beide still. Sie sprachen oft über ihn, aber sie hätte Matthew gern erklärt, wie sie Jonathan gegenüber empfand, was er für sie getan hatte und dass er den Samen für einen Neuanfang in ihr Leben hineingelegt hatte. Das alles würde sie ihm eines Tages erzählen, wenn der Zeitpunkt gekommen wäre.
Sie ging im Geiste den Plan durch, den sie am Nachmittag geschmiedet hatten. „Wenn du drinnen bist, darfst du nicht vergessen zu fragen, ob …“
„Das habe ich mir alles gemerkt“, sagte er leise.
„Und egal, was du machst, verwende auf keinen Fall Sadies Namen. Damit verrätst du …“
„Annabelle! Ich schaffe das.“
Sein energischer Ton ließ sie verstummen. Obwohl sie seine Augen nicht sehen konnte, stellte sie sich vor, wie darin ein sanfter Tadel lag, aber auch Entschlossenheit. Die gleiche Entschlossenheit, die sie bei ihm gesehen hatte, als sie Sadie heute Mittag das erste Mal entdeckt hatten.
Er berührte sanft ihre Wange. „Wir haben alles durchgesprochen. Ich weiß genau, was ich tun muss.“
Sie zwang sich, ihm zu vertrauen, atmete tief aus und nickte.
Matthew war schon halb über die Straße, als ihr einfiel, dass sie etwas vergessen hatte. Sie bemühte sich um eine leise Stimme. „Matthew!“
Er drehte sich um und ging langsam ein paar Schritte zurück.
„Ich bete für dich.“
„Das kann ich gut gebrauchen!“
Sobald er über die Schwelle der offenen Saloon-Türen getreten war, verlor sie ihn in der rauchigen Luft, die die Zigarren und Petroleumlampen in der Spielhalle verbreiteten, aus den Augen.
Während die Minuten langsam vergingen, beruhigte sich ihr Puls. Mit jedem Herzschlag dankte sie Gott dafür, dass er sie hierhergeführt hatte und bat ihn, Matthew zu beschützen und ihm zu helfen, Sadie sicher von dort herauszubringen. Nachdem sie wochenlang jede Stadt, durch die sie gekommen waren, abgesucht hatten, hatte sie einfach über die Straße geschaut und das Mädchen gesehen. Sie hatte Sadie sofort erkannt. Und auch den Mann, der sie neben sich hergezogen hatte.
Mason Boyd war ein fast unüberwindliches Hindernis, mit dem Annabelle nicht gerechnet hatte.
Boyds Gesicht tauchte vor ihrem geistigen Auge auf, und sie staunte erneut, wie gut der Maler die Bosheit in den Augen des Mannes auf dem Steckbrief wiedergegeben hatte. Die Liste an Verbrechen, die auf dem Steckbrief aufgeführt war, den sie im Postamt an der Wand hatte hängen sehen, hatte bei Weitem nicht alles enthalten, was sie über ihn wusste. Ihr tat das Herz weh, als sie daran dachte, dass Sadie die ganzen letzten Monate in der Gewalt dieses furchtbaren Mannes gewesen war.
Es war ihr nicht leichtgefallen, als sie Matthew am Nachmittag gestanden hatte, dass sie den Mann, der bei Sadie war, kannte. Sie hatte geduldig gewartet, während er ihre Worte verarbeitete, und sich gut vorstellen können, zu welcher Frage ihn seine Gedanken führen würden. Zu der Frage, die sie am liebsten nicht beantwortet hätte.
„Woher kennst du ihn, Annabelle?“ Seine heisere Stimme verriet seine Angst.
Sie öffnete den Mund, aber die Worte wollten nicht über ihre Lippen kommen. „Ich kenne ihn … von früher“, flüsterte sie schließlich. Als er sie wortlos ansah, nickte sie traurig.
Ein schmerzerfüllter Blick zog über sein Gesicht.
„Es tut mir leid, Matthew.“
Er trat einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“
„Aber ich habe das Gefühl, dass ich das muss.“
Er hielt seine Hände abwehrend nach oben. „Aber das musst du nicht!“ Er wandte sich von ihr ab und sagte mit angespanntem Tonfall: „Dieser Teil deines Lebens ist vorbei!“
Sie wusste, dass dieser Teil ihres Lebens vorbei war, aber er klang, als habe er immer noch Mühe, das wirklich zu glauben.
„Matthew“, sagte sie leise hinter ihm und wünschte, er würde sie sein Gesicht sehen lassen. „Ich schaffe das nicht allein. Ich brauche deine Hilfe.“
Er ließ den Kopf hängen. „Es tut mir leid, Annabelle. Ich habe einfach …“
Sie hörte sein tiefes Seufzen. Ihr stockte der Atem, als er sich noch einen Schritt mehr von ihr entfernte. Er hatte sie doch sicher nicht so weit begleitet, nur um sie jetzt im Stich zu lassen. Sie trat einen Schritt auf ihn zu und ein ungewohntes Flehen lag in ihrer Stimme. „Matthew, bitte …“ Sie biss kurz die Zähne zusammen, bevor sie sich noch
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