Hoffnung am Horizont (German Edition)
jetzt alles geregelt? Ist damit das Konto bei der Bank von Idaho aufgelöst?“
Patrick schwieg einen Moment und sah sie dann von der Seite an. „Es ist alles geregelt. Das ist die Summe, die Jonathan in seinem Brief angegeben hat, weißt du noch?“ Er lächelte leicht, ließ die Zügel schnalzen und lenkte ihren Einspänner um die Wagen herum, die vor dem Kolonialwarenladen und dem Lebensmittelladen parkten. „Genug Geld, um dich sicher nach Idaho zu bringen, und außerdem genug, um einen erfahrenen Scout zu bezahlen.“
„Ja, ich weiß, aber …“ Annabelle beachtete das Gedränge der vielen Passanten auf dem Gehweg kaum, da sie das Gefühl hatte, dass Patrick ihr etwas verheimlichte. Sie brach das Schweigen nicht und gab ihm Gelegenheit zu sprechen, während sie ihn aus dem Augenwinkel heraus beobachtete.
Seine Aufmerksamkeit blieb auf die Straße gerichtet.
Vielleicht überlegte er, wie er das Thema Matthew Taylor noch einmal ansprechen könnte. Sie hatte gestern Abend schon gewusst, dass Patricks und Hannahs Fragen über ihre Beziehung zu Matthew – wenn man von einer Beziehung sprechen konnte – noch nicht zu ihrer Zufriedenheit beantwortet waren. Seiner Reaktion nach zu schließen hatte Matthew Willow Springs bestimmt schon verlassen oder er würde die Stadt sehr bald verlassen. Als Annabelle sich gestern von ihrem ersten Schock erholt hatte, war sie sogar ein wenig froh über Matthews Anblick gewesen. Immerhin war er, soweit sie wusste, Jonathans einziger lebender Verwandter, und Matthew hatte ihren Mann wahrscheinlich besser gekannt als jeder andere Mensch. Er war das letzte Bindeglied zu Jonathan.
Es mutete sie jetzt seltsam an, wenn sie an die vielen Male zurückdachte, als Jonathan von seinem „kleinen Bruder“ gesprochen und ihr Geschichten aus ihrer gemeinsamen Kindheit erzählt hatte. Das Bild, das sie in ihrer Fantasie von diesem „kleinen Jungen“ geformt hatte, wies wenig Ähnlichkeit mit dem Mann auf, den sie als Matthew Taylor kannte.
Mit einem letzten Blick auf Patrick beschloss sie, ihn vorerst nicht weiter auf das anzusprechen, was ihn anscheinend beschäftigte. „Ich finde es nur komisch, dass Jonathan das Geld nie erwähnt hat. Das ist alles.“
„Dein Jonathan war ein bescheidener Mensch, Annabelle.“
Ihr Jonathan. Diese Formulierung hatte sie bis jetzt noch von niemandem gehört. Wie verdiente eine Frau wie sie dieses Wort im Zusammenhang mit einem Mann wie Jonathan McCutchens? Sie vermisste ihn, und ihre Gespräche verschwammen bereits in ihrem Gedächtnis. So vieles an ihm rückte in die Ferne, und das schon so bald nach seinem Tod. Heute war der letzte Tag im Mai, und somit waren erst siebzehn Tage vergangen, seit Jonathan gestorben war. Aber es kam ihr viel länger vor.
„Ich habe alle nötigen Papiere unterschrieben, da Jonathan mich in seinem Brief als Bevollmächtigten eingesetzt hat. Alle Dokumente werden hier ausgestellt und an die Bank von Idaho geschickt. Wenn du auf der Ranch ankommst, musst du zuerst zur Bank gehen. Dort wird man dir weiterhelfen.“ Er zog einen Stapel Papiere aus seiner Tasche und reichte sie ihr zusammen mit Jonathans Brief, den er als Beweis für Jonathans letzten Willen mitgenommen hatte. „Bewahre das an einem sicheren Ort auf und zeige alles der Bank von Idaho. Sie wissen, dass sie dich entweder in diesem oder im nächsten Herbst erwarten müssen, je nachdem, wie alles läuft.“
Annabelle überflog die Dokumente, ohne die ganzen juristischen Fachbegriffe zu verstehen, nahm sich aber fest vor, sie später genauer zu lesen. Sie steckte sie zusammen mit Jonathans Brief in ihre Handtasche. „Ich bin dir für alles, was du für mich getan hast, so dankbar, Patrick! Genauso wie es Jonathan wäre.“
Er erwiderte ihren Dank mit einem Achselzucken. „Das habe ich doch gern getan! Ich helfe Leuten immer wieder bei solchen Angelegenheiten. Habe ich dir eigentlich meine Gebühren schon genannt?“
Sein neckendes Grinsen entlockte auch ihr eine scherzhafte Bemerkung. „Nein, aber wenn deine Gebühren so hoch sind, dass du eine neue Kirche bauen kannst, werde ich misstrauisch.“ Sie lachte kurz, als dieses Bild vor ihrem geistigen Auge auftauchte. „Kannst du dir das vorstellen? Eine Kirche, deren Bau von einer Frau aus dem Freudenhaus gestiftet wird?“ Diese Vorstellung fand sie komisch.
„ Frühere Frau aus dem Freudenhaus. Heute eine Dame im wahrsten Sinne des Wortes“, verbesserte Patrick sie. Er kniff nachdenklich die Augen
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