HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
zum Witwensitz gefahren, um die Dowager Countess zu besuchen.“
Bei dieser Nachricht hob sich Emmas Laune. Solange sie denken konnte, war die ältere Lady Hardinge für sie wie eine Mutter gewesen. Emma entschied, Richard nachzureiten, sobald sie Jamie verließ.
„Das sind großartige Neuigkeiten, Digby“, bestätigte sie gut gelaunt, indem sie die Röcke raffte und sich der Treppe zuwandte.
Digby hinter ihr hüstelte diskret. „Ich glaube, Mylady befindet sich im Gewächshaus.“
„Oh.“ Emma machte auf dem Absatz kehrt. „Natürlich. Bei Sonnenschein ist das ein so herrlicher Ort. Machen Sie sich nicht die Mühe, mich anzumelden, Digby, ich kenne den Weg.“
Mit raschen Schritten ging Emma durch den Korridor zur Orangerie am anderen Ende des Hauses, wo Richard zur Freude seiner Gemahlin eine herrliche Oase hatte erschaffen lassen. Jamie mit ihrem grünen Daumen hatte dafür gesorgt, dass jetzt exotische Pflanzen aller Art hier blühten. Emma wusste, dass die Freundin vermutlich eifrig mit Setzlingen und Pflanzerde hantieren würde. Trotz ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft war Jamie kaum je dabei zu beobachten, dass sie ihr privates Paradies einfach nur genoss.
Die Tür ließ sich lautlos öffnen, und feuchtwarme Luft schien sich wie Samt um Emma zu legen, während der süße Geruch fruchtbaren Bodens ihr in die Nase stieg. Sie atmete tief ein und genoss den Augenblick. Dieser Ort war ein Hafen der Ruhe, in den man vor all der Künstlichkeit des gesellschaftlichen Lebens fliehen konnte.
Das Gewächshaus schien leer zu sein. Jamies Arbeitstisch war bedeckt von Gartenutensilien, doch von ihr selbst keine Spur. Gerade als Emma wieder gehen wollte, hörte sie ein ersticktes Geräusch. Es klang wie ein Stöhnen.
Irgendetwas stimmte hier nicht.
Sie bahnte sich ihren Weg durch das üppige Grün bis zum anderen Ende des Raumes. Dort sah sie Jamie. Sie saß ein wenig unbeholfen auf der Kante einer Bank.
Aber sie war nicht allein. Hugo Stratton beugte sich über sie. Er hatte die Hände um ihre Wangen gelegt, und er sah ihr in die Augen. Entsetzt bemerkte Emma, wie er sein Gesicht über Jamies neigte.
Emma fuhr herum und ergriff die Flucht. Sie wollte nicht glauben, was sie gerade gesehen hatte. Wie konnte er nur? Jamie war die Gemahlin seines besten Freundes, und außerdem war sie in anderen Umständen. Es war böse, und es war Betrug.
Und Jamie – sie schien sich seinen Annäherungsversuchen nicht zu widersetzen.
Emma unterdrückte ein Schluchzen. Ihr Herz schlug so schnell, als wäre sie meilenweit gelaufen. Ihre Knie zitterten. Sie musste ihre Stirn gegen die kühle Wand im Korridor lehnen, damit sie ruhiger wurde.
Jamie – und Hugo!
Es war nicht zu fassen.
Und sie verstand es nicht.
„Emma?“
Jamie erschien in der Tür. Ihr Antlitz war gerötet, und sie presste ein Taschentuch an ihr Auge, als hätte sie geweint.
Vielleicht hatte sie Hugos Küsse doch nicht gut geheißen?
„Ich glaubte, jemanden gehört zu haben … Bist du wohlauf, Emma? Du siehst aus, als würdest du gleich ohnmächtig werden.“
Wie benommen schüttelte Emma den Kopf. Ihre Kehle war zu trocken, als dass sie ein Wort herausgebracht hätte. Sie zwang sich zu einem Lächeln.
„Komm her und setz dich, Liebes. Ich werde dir gleich etwas Wasser bringen lassen.“ Jamie klang nun wirklich besorgt. „Verzeih, dass ich nicht bei dir bleibe, aber ich muss Annie bitten, mir mein Auge zu spülen. Mir ist dummerweise Staub hineingeraten. Major Stratton hat mir zwar versichert, alles entfernt zu haben, dennoch ist das Bedürfnis, heftig zu reiben, einfach unerträglich. Wenn sich das nicht bald ändert, schreie ich – das schwöre ich dir.“
Emma holte tief Luft und schluckte. Es war also alles ganz harmlos gewesen.
Oder nicht?
Sie zwang sich, mit festen Schritten zurück ins Gewächshaus zu gehen. Wie sehr sie sich auch wünschen mochte, eine Begegnung mit Hugo Stratton zu vermeiden – ihr blieb keine andere Wahl.
Sie musste so tun, als hätte sie nichts gesehen. Die Situation erforderte ein kurzes, höfliches Gespräch – und einen raschen Rückzug.
Emma hatte die Hand gerade auf den Türknauf gelegt, als der Butler mit einer Karaffe Wasser und einem Glas erschien. „Vielen Dank, Digby“, sagte sie lächelnd. „Es geht mir schon besser, indes würden mir eine Erfrischung und ein Moment der Ruhe gewiss guttun. Bitte lassen Sie Juno in zehn Minuten vorführen, länger kann ich nicht bleiben.“
Hugo sah erstaunt
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