HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
derselben Frau waren. Sie war begehrenswert, entzückend – und unerträglich. Sie machte ihn wütend, und er sehnte sich nach ihr. Sie raubte ihm den Verstand.
Er zerbrach sich den Kopf, was er sonst hätte tun sollen. Er hatte kaum genügend Zeit gehabt, seine Abendgarderobe anzulegen – und ganz gewiss keine Gelegenheit mehr, ihr eine Nachricht zu schreiben. Die Zeit hätte gerade für einen Kuss und ein paar Worte gereicht, aber als er sie so friedlich im Schlummer liegen gesehen hatte, war es ihm unmöglich gewesen, sie zu wecken. Er hatte sogar der Versuchung widerstanden, ihr über die Wange zu streichen.
Und all das war umsonst gewesen. Sie hatten Forster nicht gefunden, geschweige denn einen nützlichen Beweis gegen ihn. Kits angeblich zuverlässige Quelle war genauso unglaubwürdig wie alle anderen. Sie machten keine Fortschritte. Ihre Pläne, die Angelegenheit mit dem Colonel im Stillen zu regeln, würden sie bald zugunsten offensiveren Handelns aufgeben müssen. Forster streute Gerüchte, dagegen musste etwas getan werden. Vielleicht würden sie heute Abend ein passendes Druckmittel finden. Zumindest waren sie diesmal sicher, dass Forster erscheinen würde, denn er hatte die Hasard-Spieler ja selbst zusammengerufen. Alle waren einverstanden gewesen, Forster die Chance zu geben, seine Verluste wettzumachen.
Nach der nächsten Arie stand Hugo auf und reichte Emma die Hand. „Meine Liebe“, sagte er höflich, „wie du weißt, muss ich jetzt gehen. Würdest du mich zur Tür begleiten?“
Emma wusste, ihr blieb keine Wahl. Vor so vielen Zeugen konnte sie die Bitte ihres Gatten unmöglich ablehnen. Offenkundig war ihm das ebenfalls klar.
„Natürlich“, erwiderte sie und stand auf. „Entschuldigen Sie mich einen Moment, Mrs. Gray. Ich hoffe, wieder hier zu sein, ehe die Musik weitergeht. Es wäre schade, diese hervorragende Darbietung zu versäumen, nicht wahr?“
Emmas Nachbarin nickte zustimmend. Hugo nahm ihre Hand und führte sie in die Halle, wo er sich zu ihr beugte und ihr zuflüsterte: „Denk an den Eindruck, den du hinterlässt, meine Liebe, und den Klatsch, dem du neue Nahrung gibst. Du solltest eine glückliche junge Braut sein. Doch du hast den ganzen Abend über kaum ein Wort mit deinem Gemahl gewechselt. Du lächelst, das schon, indes nicht überzeugend. Du siehst aus wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.“
„Bist du fertig?“, fragte Emma. Nur mit Mühe konnte sie ihren Zorn im Zaum halten.
„Für den Augenblick.“ Hugo bedeutete dem Diener, ihm Hut und Stock zu bringen. „Wir werden das morgen früh besprechen, Emma, wenn wir beide uns ein wenig beruhigt haben. Und inzwischen rate ich dir, genau darauf zu achten, wie du dich benimmst.“
Emma verkniff sich die Worte, die sich ihr aufdrängten. Der Lakai beobachtete sie mit unverhohlener Neugier. Sie konnte es sich nicht leisten, Hugo in aller Öffentlichkeit zu beleidigen, welche Genugtuung es ihr auch bereiten mochte.
Hugo neigte sich kurz über ihre behandschuhte Hand, ehe er ihr einen Kuss auf die Wange gab. „Gute Nacht, meine Liebe“, versetzte er so laut, dass die Dienstboten es hören mussten. „Verzeih, dass ich dich verlasse, aber du weißt, dass ich einen Termin habe, der sich nicht aufschieben lässt. Warte nicht auf mich. Es kann spät werden.“ Er lächelte ihr zu, und dabei verschwand alle Härte aus seinem Blick. „Schlaf schön, meine liebe Frau“, flüsterte er. Dann war er fort.
Eine ganze Weile stand Emma da und starrte auf die Tür. Ihr Gesicht schmerzte von der Anstrengung, immerfort zu lächeln. Sie gestattete sich einen Moment der Entspannung. Niemand würde sich wundern, dass sie ernst dreinsah, nachdem sie sich von ihrem Gemahl verabschiedet hatte.
Sie musste allein sein und nachdenken.
Sie ging die Halle entlang, vorbei am Musikzimmer und zu einem kleinen Raum mit einem Erkerfenster. Sie schob die Vorhänge beiseite, um hinunter auf die nächtliche Straße zu sehen.
Den Samt zu berühren hatte eine beinahe hypnotische Wirkung. Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen und wäre in die starken Arme eines Geliebten gesunken – in Hugos Arme. Es hatte keinen Sinn, sich weiter zu ärgern. Dadurch würden die Schwierigkeiten zwischen ihnen lediglich schlimmer werden, während sie doch – um der Wahrheit die Ehre zu geben – nur wollte, dass alles so war wie vor diesem verflixten Klopfen. Sie wollte …
Das Geräusch von Schritten holte sie in die Gegenwart zurück. Sie
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