Hoffnung ist mehr als ein Wort (Bianca) (German Edition)
ihren gemeinsamen Sommer zurückversetzt.
Geißblatt umrankte das Haus seiner Großmutter. Der Duft war ihm jedes Mal in die Nase gestiegen, wenn Kit zu Besuch gekommen war und er ihr die Tür geöffnet hatte. Nach außen hin war er ganz cool geblieben, so sehr es ihn auch gereizt hatte, ihr über das Haar zu streichen, das im Sonnenschein rötlich glänzte, oder ihre nackten Schultern zu streicheln, wenn sie ihr pinkfarbenes Bustier trug.
Nun drehte sie sich zu ihm um und ihm stockte der Atem. Vielleicht lag es an ihrem langen schlanken Hals, den vollen Lippen oder diesen Augen, die stets mehr von ihm zu wollen und zu erwarten schienen. Jedenfalls fühlte er sich wieder wie ein unbeholfener Teenager.
Vielleicht war es aber auch Marlenes Tod, der ihn nach dem einen verlangen ließ, das er sein Leben lang angestrebt und nie erreicht hatte: eine richtige Familie zu haben, die zusammen durch dick und dünn ging und nicht praktisch wie Fremde unter demselben Dach lebte.
Seine Großeltern hatten ihn und Marlene vermutlich geliebt, es jedoch nie richtig zeigen können. Hier in IdaBelle Falls hatte er sich eine flüchtige wunderschöne Zeit lang wie ein Teil von etwas Großem gefühlt. Dies war vielleicht sogar bedeutsamer als die komplexen Ziele seiner Großeltern, die ihn auf einem vorbestimmten Kurs hielten.
Sein letztes verbliebenes Familienmitglied war Libby, doch die konnte noch nicht einmal sprechen. Und Kit war keine Angehörige, ja nicht einmal eine richtige Freundin.
Die Hände in die Hüften gestützt, das Kinn vorgereckt, konterte sie: „Hast du noch nie den Spruch gehört: Man muss Geld haben, um es auszugeben ?“
Er wollte alles dafür geben, dass er sich auf die Arbeit konzentrieren konnte und seine Gedanken nicht länger darum kreisten, ihre Lippen noch einmal zu kosten. „Was hältst du davon, wenn ich mich um die Werbung kümmere?“
„Ich habe doch gerade gesagt, dass wir dafür kein Geld haben.“
„Ich tue es unentgeltlich.“
„Marlene wollte nicht, dass du etwas beisteuerst.“
„Betrachte es als Darlehen. Ich schreibe auf, was ich ausgebe, und wenn wir wieder schwarze Zahlen schreiben, zahlst du es zurück. Einverstanden mit dem Deal?“ Er reichte ihr die Hand, und als sie die Finger um seine schloss, kämpfte er gegen das Gefühl an, angekommen zu sein.
„Einverstanden. Unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“
„Zum Ausgleich für die Extraarbeit, die du übernimmst, lässt du mich heute Abend für dich kochen.“
Missmutig saß Travis am Steuer des feuerroten Kleinbusses, der ringsherum mit Kühen und Pferden, Hühnern und Enten bemalt war. „Sag mir, dass es bloß ein schlechter Traum ist“, verlangte er von Libby, die in ihrem Babysitz in der vordersten Sitzreihe an einem Kauring nagte.
Was hätte er nicht dafür gegeben, in seinem roten Ferrari durch die Gegend zu brausen! Er fuhr ihn nicht oft. Meistens beschränkte er sich auf eine biedere Mercedes-Limousine. Doch hin und wieder war ihm nach einem Geschwindigkeitsrausch auf einer einsamen kurvenreichen Straße zumute, um alle Ängste und Zweifel hinter sich zu lassen.
Libby dagegen schien völlig zufrieden mit dem lahmen Gefährt zu sein, denn sie krähte fröhlich.
„Warte ab, bis du ein Teenager bist. Dann würdest du niemals in so eine Karre steigen.“ Er freute sich darauf, nach Hause zu kommen. In die Abgeschiedenheit seines Penthouse, wo bereits ein Bauunternehmer und ein Dekorateur am Werk waren, um ein erstklassiges Kinderzimmer einzurichten.
Travis bog in die Crabapple Lane ein und fand das kleine weiße Haus mit der rosa Flamingoskulptur im Vorgarten, das Kit ihm beschrieben hatte. Die fünfköpfige Vogelfamilie war kitschig, aber inmitten von bunten Sommerblumen passte sie irgendwie zu dem rustikalen Cottage mit der behaglichen Veranda und den waldgrünen Fensterläden.
So einladend die Szenerie auch wirken mochte, sie wies ein entscheidendes Manko auf: Der Pick-up von Levi Petty parkte vor dem Haus.
Nun erst wurde Travis bewusst, dass er sich auf einen Abend allein mit Kit gefreut hatte, ohne Beaufsichtigung durch ihren Verlobten.
Sie kam aus dem Haus und ging über die frisch gemähte duftende Rasenfläche zu ihm. „War es schwer zu finden?“
„Nein.“ Er hob Libby aus ihrem Sitz und schloss die Bustür. „Deine Anweisungen waren sehr präzise.“ Der rauchige Geruch von Grillfleisch lag in der Luft und ließ seinen Magen knurren. Allmählich war er Schinkensandwiches gehörig leid.
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