Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 6
später erfuhr ich den Namen des Mordopfers. Der Mann hieß Daniel Brassens. Er war jung, attraktiv, gut gekleidet – ein richtiger Dandy, wie man in London sagen würde. Jedenfalls sah er selbst im Tod noch viel besser aus als Brulot. Das war vielleicht der Grund dafür, dass Madame Brulot sich in diesen Jüngling verliebt hatte.“
Kate atmete tief durch. Sie hatte es schon öfter erlebt, dass Männer oder auch Frauen aus lauter Eifersucht durchdrehten und gewalttätig wurden. Aber ein Mann, der seinen Rivalen tötete und die Bluttat dann einem Unschuldigen in die Schuhe schob? Das war nach Kates Meinung mehr als schäbig. Sie war empört und hätte diesem Brulot am liebsten ins Gesicht gesagt, was sie von ihm hielt. Aber einstweilen wollte sie das Ende der Geschichte hören.
„Wie ging es weiter, Sir?“
„Brulot muss sich hinter einem Vorhang versteckt haben. Ich hörte ihn nicht kommen. Jedenfalls bekam ich völlig unerwartet einen Schlag auf den Hinterkopf. Als ich wieder zu mir kam, hatte ich ein blutiges Messer in meiner rechten Hand. In den Taschen meines Gehrocks fand ich ein paar tausend Francs, die nicht mir gehörten, außerdem Perlenketten und anderen Schmuck. Eine Mannslänge von mir entfernt lag der Tote auf dem Teppich. Und bevor ich meine Situation richtig begreifen konnte, hatte die Polizei schon die Wohnung gestürmt.“
„Die Beamten hielten Sie natürlich für den Täter. Aber haben Sie denn nicht gesagt, was wirklich geschehen ist?“
„Doch, das habe ich getan. Aber die Polizisten glaubten mir nicht. Ich hatte ja keinen Beweis dafür, dass mich Brulot von hinten niedergeschlagen hatte. An meinem Kopf gab es auch keine offene Wunde. Außerdem konnte Brulot später bei der polizeilichen Vernehmung ein Alibi vorweisen. Angeblich hatte er den ganzen Abend mit Freunden Karten gespielt, während ich Daniel Brassens tötete.“
„Diese Freunde werden zu Brulots Gunsten gelogen haben!“
„Davon gehe ich auch aus, Miss Kate. Aber es war, als ob das Schicksal sich gegen mich verschworen hätte. Einige Wochen vor dem Mord verlor ich an der Börse eine größere Geldsumme. Ich hatte Brulot arglos davon erzählt. Er ahnte bestimmt, dass mein finanzieller Engpass als überzeugendes Mordmotiv herhalten würde. Der Wohlstand des reichen Erben Daniel Brassens war nämlich allgemein bekannt. Richter und Staatsanwalt glaubten, ich hätte ihn aus Habgier ermordet.“
Je mehr Einzelheiten Kate von Summers erfuhr, desto größer wurde ihr Zorn auf diesen Louis Brulot. „Und wieso traf wunderbarerweise die Polizei ein, als Sie gerade mit dem Messer in der Hand aus Ihrer Ohnmacht erwachten, Mr Summers?“
„Ein Dienstmädchen, das draußen vorbeiging, hat angeblich einen furchtbaren Todesschrei gehört und ist daraufhin zum nächsten Polizeiposten gelaufen. Ich glaube dieser Frauensperson sogar, dass sie die Beamten verständigt hat, denn Brulot saß ja zu dieser Zeit angeblich mit seinen Freunden beim Kartenspiel. Allerdings gehe ich davon aus, dass der wahre Täter das Dienstmädchen ebenfalls geschmiert hat.“
„Eine perfekte Falle“, stellte Kate grimmig fest.
Während dieses Wortwechsels waren sie von dem Steinbruch aus zu einem nächtlichen Fußmarsch aufgebrochen. James schien auch in der Dunkelheit keine Schwierigkeiten damit zu haben, sein Ziel zu finden. Hier draußen in der freien Natur gab es natürlich keine Straßenbeleuchtung, aber James hatte eine kleine Blendlaterne.
Falls Summers unter den Strapazen litt, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Aber vielleicht hatte seine Lebensrettung ihm ja zusätzliche Kräfte verliehen. Kate warf ihm immer wieder besorgte Seitenblicke zu, aber er hielt sich gut auf den Beinen.
Kate war trotzdem nicht zufrieden. Der schwierigste Teil ihrer Aufgabe war gelöst. Doch sie konnte es nicht ertragen, dass der wahre Mörder ungestraft davonkam. Selbst, wenn Summers mit der Hilfe von Kate und ihren Gefährten heil nach England zurückgeschafft werden konnte, blieb er für die französischen Behörden trotzdem ein verurteilter Straftäter. Und das empfand Kate als äußerst ungerecht.
Sie wurde aus ihren Grübeleien gerissen, als James plötzlich an eine Tür klopfte. Kate hatte in der Finsternis gar nicht bemerkt, dass ihre Gefährten und sie inzwischen den Rand einer Vorortsiedlung erreicht hatten. Aber nun bemerkte sie einen schmalen Streifen Licht, der zwischen den geschlossenen Fensterläden des Hauses leuchtete. Wenig später wurde
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